Cyber City
schleuderte sie gegen die Wand. Sie rutschte aus und schlug mit voller Wucht mit dem Kopf gegen die Mauer.
Thomas kniete ungläubig neben ihr nieder. In ihrem Hinterkopf klaffte ein großes Loch. Sie atmete noch. Er tätschelte ihre Wangen, versuchte, ihre Lider zu öffnen, aber er sah nur das Weiß ihrer verdrehten Augen. Sie saß halb aufgerichtet mit gespreizten Beinen auf dem Boden, den Kopf gegen die Wand gelehnt, in einer großen Blutlache.
Er sagte: »Denk nach, denk nach. Aber schnell.«
Die Zeit lief langsamer. Jede Einzelheit des Zimmers schrie nach Aufmerksamkeit. Das Licht der nackten dumpfen Glühbirne an der Decke blendete ihn fast. Der ganze Raum war voller rasiermesserscharfer Kontraste. Thomas rutschte über den Rasen, spürte das Gras. Es würde nur so wenig Stärke, so wenig Mut, so wenig Liebe kosten. Es war nicht unmöglich …
Annas Anblick schmerzte in seinen Augen, süß und schrecklich zugleich. Er wußte, wenn er sie nicht getötet hätte, wäre er ein Niemand; kein anderer Teil von ihm wäre übriggeblieben. Nur ihr Tod machte Sinn aus dem, was er geworden war, aus all der Scham und dem Wahnsinn, die geblieben waren. Zu glauben, daß er ihr Leben gerettet hatte, würde bedeuten, sich selbst für immer zu vergessen.
Zu sterben. Er zwang sich, still auf dem Rasen liegen zu bleiben. Taubheit wogte durch seinen Körper.
Er zitterte, als er den Notarzt rief. Seine Stimme überraschte ihn; er klang ruhig, gefaßt. Dann kniete er bei Anna nieder und schob eine Hand hinter ihren Kopf. Warmes Blut rann an seiner Hand herab, unter die Manschette seines Hemdes. Vielleicht würde er nicht ins Gefängnis kommen, wenn sie überlebte. Der Skandal würde ihn dennoch vernichten. Er verfluchte sich selbst und legte sein Ohr an ihren Mund. Sie hatte noch nicht aufgehört zu atmen. Sein Vater würde ihn enterben. Er starrte in seine ungewisse Zukunft und streichelte Annas Wange.
Er hörte die Sanitäter auf der Treppe. Die Tür war verschlossen; er mußte aufstehen, um ihnen zu öffnen. Hilflos stand er während der Untersuchung dabei. Dann hoben sie Anna auf die Bahre, und er folgte ihnen nach draußen bis auf die Straße. Einer der Männer blickte ihm kalt in die Augen, als sie die Bahre in den Wagen schoben. »Bezahlen Sie extra, um sie schlagen zu dürfen?«
Thomas schüttelte unschuldig den Kopf. »Es ist nicht das, wonach es aussieht.«
Sie zögerten, aber schließlich durfte er hinten mitfahren. Thomas hörte, wie der Fahrer die Polizei benachrichtigte. Er hielt Annas Hand und starrte auf sie hinunter. Ihre Finger waren eiskalt, ihr Gesicht weiß. Der Notarztwagen nahm eine Kurve; er hielt sich mit seiner freien Hand fest. Ohne hochzublicken fragte er: »Wird sie durchkommen?«
»Kann man nicht sagen, bevor sie geröntgt wurde.«
»Es war ein Unfall. Wir haben getanzt. Sie ist ausgerutscht.«
»Was immer Sie meinen.«
Sie rasten durch die Straßen, jagten durch ein Universum voller Neon und Scheinwerfer, aber außer der Sirene war nichts zu hören. Thomas sah Anna ununterbrochen an. Er hielt ihre Hand fest in der seinen, wollte von ganzem Herzen, daß sie lebte – aber er widerstand dem Bedürfnis zu beten.
30
Die Anführer der Kontaktgruppe hatten sich in Marias Apartment versammelt. Sie hatten kaum Platz genommen, als Durham sagte: »Ich denke, wir sollten in mein Territorium umziehen, bevor wir weitermachen. Es liegt auf der dem Autoversum entgegengesetzten Seite – vielleicht nutzt das etwas. Wenn Entfernung überhaupt eine Rolle spielt, dann sollten wir unsere Quasigehirne irgendwo betreiben, wo es halbwegs sicher ist.«
Maria fühlte sich elend. Die Stadt selbst lag direkt neben dem Autoversum: der Festplatz am Rand der Wüste. Aber in diesem öffentlichen Raum wurden keine Elysianer gerechnet, nur Gebäude und Marionettenbürger. Sie sagte: »Sechs der Gründerpyramiden grenzen an das Autoversum. Wenn Sie der Meinung sind, daß die Nebeneffekte überschwappen könnten, dann sollten Sie vielleicht einen Vorwand finden und die Gründer veranlassen, ihre Leute so weit wie möglich zu entfernen? Sie müssen ihnen ja nicht verraten, was wirklich los ist – Sie müssen ihnen nichts erzählen, was die Gefahr vergrößern könnte.«
Müde entgegnete Durham: »Ich hatte schon genug Schwierigkeiten, siebenunddreißig hingebungsvolle Autoversum-Gelehrte von Projekten zu überzeugen, die sie aus unserem Weg halten. Wenn ich jetzt noch Elaine Sanderson, Angelo Repetto und Tetsuo
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