Cyberabad: Roman (German Edition)
lässt seinen feuchten Teebeutel am Faden baumeln, während er auf Varanasi hinausblickt und Sinn in das zu bringen versucht, was er in dem ausgebrannten Apartment gesehen hat. Das Feuer tobte heftig, aber es wurde eingedämmt. Kontrolliert. Ein inszenierter Brand. Eine Hohlladung? Ein Infrarotlaser durch das Fenster?
Mr. Nandha holt Bachs Violinkonzerte auf seinen Palmer, lehnt sich in seinem Ledersessel zurück, legt die Finger wie eine Stupa zusammen und wendet sich der Stadt vor dem Fenster zu. Sie war für ihn stets ein unfehlbarer und großzügiger Guru. Er befragt sie wie ein Orakel. Varanasi ist die Stadt des Menschen, und alle menschlichen Aktivitäten spiegeln sich in ihrer Geographie. Ihre Muster und Traumata haben zu Einsichten und Weisheiten geführt, die jenseits aller Vernunft und Rationalität liegen. Heute zeigt die Stadt ihm Feuermuster. An jedem Tag steigen mindestens ein Dutzend Rauchfahnen von Hausbränden auf. In der umtriebigen Mittelklasse wurde die Gewohnheit der Brautverbrennung abgeschafft, aber er bezweifelt nicht, dass einige der ferneren, blasseren Rauchwolken von »Küchenbränden« stammen.
Bei mir bist du sicher, Parvati, denkt er. Du kannst dich für immer darauf verlassen, dass ich dir nicht wehtun oder von dir genug haben werde, denn du bist etwas Besonderes, eine unbezahlbare Perle. Du bist vor dem Sati der Langeweile oder der Mitgift-Missgunst sicher.
Die militärischen Truppentransporter gehen immer noch im gleichen Rhythmus über der Skyline nieder. Wie viele Lakhs Soldaten sind es inzwischen? Im Polizeistreifenwagen hatte er die Schlagzeilen des Tages überflogen. Bharati-Jawans haben einen Awadhi-Übergriff an der Eisenbahnlinie westlich von Allahabad zurückgeschlagen. Roboter der Awadhis/Amerikaner haben eine Sitzstreik-Demonstration angegriffen, durch die ein Maratha-Shatabdi an der Hauptstrecke nach Awadh blockiert wurde. Mr. Nandha erkennt den Geruch der Meinungsmache der Ranas, stärker als Räucherstäbchen oder Kremationsrauch. Es ist eine Ironie, dass die Amerikaner, die die Hamilton-Gesetze verabschiedet haben, einen Krieg mit genau den Maschinen führen, denen sie so sehr misstrauen. Falls Kaihs höherer Generationen jemals Zugang zu diesen Kampfrobotern erhalten sollten ...
Mr. Nandha nimmt die Finger auseinander. Intuition. Erleuchtung. Eine Bewegung an seiner Seite: Ein Chai-Junge bringt seinen benutzten Teebeutel auf einer silbernen Untertasse weg.
»Chai-Wallah, schick Vikram zu mir herunter. Schnell.«
»Sofort, Sahb.«
Militärische Kaih-Abwehrkampfflugzeuge. Darauf trainiert, Cyberkampfeinheiten wie Jagdfalken zur Strecke zu bringen. Mit Pulslasern bewaffnet. Die Mordwaffe ist irgendwo da draußen, auf Patrouille, und schneidet durch den heiligen Luftraum über der heiligen Stadt. Jemand hat die militärischen Systeme geknackt.
Mr. Nandha riecht Vik, bevor seine übrigen Sinne sein Eintreffen melden.
»Vikram.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
Mr. Nandha dreht sich mit seinem Stuhl herum. »Bitte besorgen Sie mir ein Protokoll der Bewegungen sämtlicher militärischer Kaih-Drohnen über Varanasi in den vergangenen zwölf Stunden.«
Vikram saugt die Unterlippe ein. Er trägt riesige Laufschuhe und Pseudoshorts, die ihm heute bis zu den Waden reichen, zusammen mit einem engen Top, das jemand mit seinem Kohlehydratumsatz niemals auch nur in Erwägung ziehen sollte.
»Machbar. Wofür?«
»Mir ist die Idee gekommen, dass dies kein konventioneller Brandanschlag war. Die Ursache könnte der Hochleistungs-Infrarot-Laserpuls eines militärischen Flugkörpers gewesen sein.«
Vik zieht die Augenbrauen hoch.
»Gibt es schon etwas Neues über die Quelle der Abschaltung des Sicherheitssystems?«
»Jedenfalls kam der Befehl nicht von der Versicherung Ahura Mazda in Varanasi. Die Spur wurde ziemlich gut verwischt, aber wir werden ihnen auf die Schliche kommen. Wir haben ein paar Ausgangsdaten aus den Resten gewonnen, die wir von Badrinath retten konnten. Was auch immer sie auszulöschen versucht haben, es wurde gleichzeitig eine Menge Zeug vernichtet, das gegen hohe Gebühren gemietet wurde. Wir haben Bodhisofts von Jim Carrey, Madonna und Phil Collins verloren.«
»Ich glaube nicht, dass sie an Bodhisofts oder auch nur an Informationen interessiert waren«, sagt Mr. Nandha. »Ich glaube, es ging um die Leute.«
»Wie kommt es, dass wir die Abteilung für Kaih-Lizensierung sind, es aber am Ende immer wieder mit Menschen tun haben?«, fragt Vikram und
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