Cyberabad: Roman (German Edition)
sind.
Weidenholz knackt. Die Menge springt auf. Ein Boundary. Die Anzeigetafel schaltet klickend um. Die Begum Khan sagt gerade, dass N. K. Jinvanjee ziemlich von den Ranas bloßgestellt wurde, seit der Überfall der Awadhis ihn und seine alberne Rath Yatra in Richtung Allahabad in die Flucht geschlagen hat – wie Ravana, der einst nach Lanka floh.
HABE SIE ERSPÄHT , flüstert der Palmer. Der Bildschirm zeigt ihr Krishans lächelndes Gesicht. Sie neigt den Sonnenschirm zum unauffälligen Gruß. Hinter ihr tratschen die Damen nun über die Party der Dawars und warum Shaheen Badoor Khan nicht bis zum Unterhaltungsprogramm geblieben ist. Die Begum Khan weist darauf hin, dass er ein vielbeschäftigter Mann ist, und erst recht in dieser Zeit, schließlich ist Bharat in Not. Parvati hört das leichte Stocken ihrer Stimme. Sie wendet sich wieder dem Spiel zu. Nachdem Krishan sie nun in die Geheimnisse des Cricket eingeweiht hat, erkennt sie, wie viel Raffinesse und Geist darin steckt. Ein Testspiel unterscheidet sich gar nicht so sehr von Stadt und Land .
MAZUMDAR WIRD JARDINE SCHLAGEN , textet Krishan. Jardine läuft gelassen von der Linie zurück, mustert den Ball, bearbeitet ihn mit dem Daumen, poliert ihn. Er bringt sich in Stellung. Die Feldspieler richten sich an ihren Positionen mit den seltsamen Bezeichnungen auf. Mazumdar mit zwei Streifen Blendschutzcreme unter den Augen, wie die Streifen eines Tigers, macht sich bereit für den Wurf. Jardine bowlt. Der Ball springt, trifft eine Scharte im Gras, springt hoch, springt super. Alle im Sampurnanand-Stadion können sehen, wie hoch, wie super. Sie können sehen, wie Mazumdar ihn einschätzt, abwägt, seine Position verändert, mit dem Schläger ausholt, ihn von unten trifft, ihn hoch in den gelben Himmel katapultiert. Es ist ein großartiger Schlag, ein wagemutiger Schlag, ein brillanter Schlag. Die Menge tobt. Eine Sechs! Eine Sechs! Es kann nicht anders sein. Alle Götter wollen es so. Feldspieler rennen, die Augen auf den Himmel gerichtet. Niemand wird ihn fangen können. Dieser Ball fliegt immer höher und höher und hinaus.
Nie den Ball aus den Augen verlieren , hatte Krishan zu Parvati gesagt, als es um Spaten und Aprikosen auf dem Dachgarten ging. Parvati Nandha behält den Ball im Auge, als er den höchsten Punkt seiner Flugbahn erreicht und die Schwerkraft die Geschwindigkeit überwindet, als er wieder zur Erde fällt, auf die Menge zu, ein rotes Bindi, ein rotes Auge, eine rote Sonne. Ein Luftangriff. Ein Flugkörper von Krishan, der das Herz sucht. Der Ball fällt, und die Zuschauer springen auf, aber keiner ist vor Parvati auf den Beinen. Sie reckt sich, und der Ball landet in ihrer erhobenen rechten Hand. Der leichte Schmerz veranlasst sie zu einem Schrei, dann brüllt sie: »Jai Bharat!« Sie ist völlig von diesem Moment berauscht. Die Menge jubelt, und sie ist eine Insel im Lärm. »Jai Bharat!« Das Getöse steigert sich. Dann rafft sie ihren Sari, und wie Krishan es ihr gezeigt hat, wirft sie den Ball über die Boundary. Ein englischer Feldspieler fängt ihn auf, grüßt mit einem Nicken und spielt ihn dem Bowler zu. Aber es ist eine Sechs, eine Sechs, eine ruhmreiche Sechs für Mazumdar und Bharat. Ich habe den Ball nicht aus den Augen gelassen. Ich habe ihn sanft aufgefangen, meine Hand mit ihm bewegt. Sie dreht sich um und zeigt den Ladys ihren Stolz über ihre Leistung, aber ihre Gesichter sind vor Verachtung verhärmt.
Parvati hält erst inne, als sie außerhalb des Stadions ist, doch selbst dann hört sie noch das Raunen und das Brennen der Scham auf ihrem Gesicht. Eine Närrin, ein dummes Landei, das sich vom Mob hat mitreißen lassen, das aufgesprungen ist und sich zur Schau gestellt hat, wie jemand ohne jegliche Manieren, ohne Klasse. Sie hat sie bloßgestellt. Seht euch die Lady aus dem Quartier an, die den Ball wie ein Mann wirft! Jai Bharat!
Ihr Palmer hat immer wieder vibriert, eine Nachricht nach der anderen trifft ein. Aber sie will sie nicht sehen. Sie will sich nicht einmal umschauen, weil sie befürchtet, er könnte ihr gefolgt sein. Sie geht über die begrünte Fläche zur Straße. Taxis. Hier muss es jede Menge Taxis geben, gerade an einem Spieltag. Sie steht am rissigen Straßenrand, den Sonnenschirm erhoben, während sich Phatphats und städtische Taxis vorbeischieben. Wohin fahrt ihr zu dieser Tageszeit? Seht ihr nicht, dass eine Lady euch winkt?
Eine Möchtegern-Lady. Die nie eine Lady war und nie eine Lady sein
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