Cyberabad: Roman (German Edition)
Senkrechtstarter in den Horizontalflug.
»Das war ein bisschen dramatisch, nicht wahr?«, sagt Sajida Rana und löst ihren Sitzgurt. »Die verdammte Armee vergisst niemals, wer hier die Frau ist. Jai Bharat! Trotzdem ist es gut gelaufen. Ich glaube, das Cricket-Ergebnis hat einen netten Schlusspunkt gesetzt.«
»Wenn Sie es sagen, Ma’am.«
»Ich sage es.« Sajida Rana windet sich in ihrem engen Kampfanzug. »Verdammt unbequem, diese Sachen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie jemand es schaffen soll, darin ernsthaft zu kämpfen. Ihre Analyse?«
»Ich will ganz offen sein.«
»Sind Sie jemals anders?«
»Ich halte die Besetzung des Damms für vermessen. Der Plan sah vor ...«
»Der Plan war so weit ganz gut, aber er hatte keinen Mumm.«
»Premierminsterin, mit allem Respekt ...«
»Es geht um Diplomatie, ich weiß. Aber scheiß drauf, ich werde nicht zulassen, dass N. K. Jivanjee den Hindu-Märtyrer spielt. Verdammt, wir sind Ranas!« Sie wartet, bis ihre theatralische Einlage verklungen ist, und fragt dann: »Lässt sich unsere Position noch retten?«
»Schon, aber der internationale Druck wird eine wesentliche Rolle spielen, wenn die Aktion über die Nachrichtenkanäle verbreitet wird. Das könnte den Briten einen Vorwand geben, ihren Ruf nach einer internationalen Konferenz zu erneuern.«
»Hoffentlich nicht in London. Dort kann man nicht mehr anständig shoppen gehen. Aber die Amerikaner ...«
»Wir haben den gleichen Gedanken, Premierministerin. Die ›besonderen Beziehungen‹ ...«
»Sind nicht annähernd so wechselseitig, wie die Briten gern glauben. Ich werde Ihnen sagen, was mir an diesem Schlamassel Spaß macht, Khan. Wir haben es diesem Chuutya Jivanjee so richtig gezeigt. Er hat sich für unglaublich schlau gehalten, als er die Fotos von seinem Heiligen Einkaufswagen hat durchsickern lassen. Aber nun ist er derjenige, der mit eingeklemmtem Schwanz nach Hause rennt.«
»Trotzdem, Premierministerin, Sie wissen, dass er nicht aus der Welt ist. Ich glaube, wir werden wieder von Mr. Jivanjee hören, wenn wir unsere Friedenskonferenz anberaumen.«
»Falls wir das tun, Khan.«
Shaheen Badoor Khan neigt zustimmend den Kopf. Aber er weiß, dass es für solche Dinge keine wissenschaftliche Basis gibt. Er, seine Regierung und seine Nation haben bis jetzt einfach nur Glück gehabt.
Sajida Rana zupft an einer schlecht verarbeiteten Naht ihrer Kampfhose, sackt auf ihrem Sitz zusammen und fragt: »Gibt es schon etwas über mich?«
Shaheen Badoor Khan klappt seinen Palmer auf und klickt sich durch die Nachrichtenkanäle und Agenturen. Phantomseiten erscheinen in seinem Gesichtsfeld. Schlagzeilen umschwirren ihn in sanften, farbigen Explosionen.
» CNN , BBC und News International bringen es als Sondermeldung. Reuters schickt es soeben an die US-Presse.«
»Wie ist der allgemeine Tenor des Großen Satans?«
Shaheen Badoor Khan überfliegt die Leitartikel von Boston bis San Diego. »Es reicht von leiser Skepsis bis zu kategorischer Ablehnung. Die Konservativen verlangen unseren Rückzug, dem vielleicht Verhandlungen folgen sollten.«
Sajida Rana zerrt an ihrer Unterlippe, eine private Geste, die nur engsten Vertrauten bekannt ist, genauso wie ihr legendäres schmutziges Mundwerk.
»Wenigstens schicken sie keine Marines. Aber es geht ja auch nur um Wasser und nicht um Öl. Trotzdem befinden wir uns nicht mit Washington im Krieg. Irgendwas aus Delhi?«
»Nichts auf den Online-Kanälen.«
Premierministerin Rana zieht ihre Lippe ein Stück herunter. »Das gefällt mir nicht. Sie haben schon ganz andere Schlagzeilen gebracht.«
»Unsere Satellitendaten zeigen, dass die Awadhi-Truppen ihre Stellung halten.«
Sajida Rana lässt die Lippe los und richtet sich auf dem Sitz auf. »Ich scheiß auf sie. Heute ist ein großer Tag! Wir sollten jubeln! Shaheen.« Sein Vorname. »Mal ganz im Vertrauen: Was halten Sie von Chowdhury?«
»Minister Chowdhury ist ein sehr fähiges Mitglied des Abgeordnetenhauses ...«
»Minister Chowdhury ist ein Hijra. Shaheen, es gibt da eine Idee, die ich seit einiger Zeit in meinem Hinterkopf wälze. Deedarganj muss irgendwann nächstes Jahr zur Nach wahl antreten. Ajuja spielt den Optimisten, aber er hat diesen Tumor, der ihn langsam zerfrisst, der arme Kerl. Es ist ein guter, sicherer Wahlkreis, aber sie würden James F. McAuley wählen, verdammt, wenn er nur ein bisschen mit einem Räucherstäbchen vor Ganesha herumwedelt.«
»Mit allem Respekt, Premierministerin, aber
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