Cyberabad: Roman (German Edition)
Nanak, ob dies ein reiner Patientenbesuch ist, oder ob du die Szene von Patna auskundschaften willst«, fordert Nanak ys auf und klemmt sich einen Hoek hinter das große Ohr.
»Nanak, ich bin jetzt ein Karriere-Neut, weißt du das nicht? Ich habe es in drei Monaten zum Abteilungsleiter geschafft. Noch ein Jahr, und ich schmeiße den ganzen Laden.«
»Dann kannst du wieder zu mir kommen und dir ein komplettes neues Emotika-Set leisten«, sagt Nanak. »Ich habe hier neues Zeugs, frisch aus den Mixern. Sehr gut. Sehr seltsam. Gut. Ich bin so weit. Atme einfach ganz normal.« Ys bewegt eine Hand in einer Mudra, und Halbkreise aus weißem Metall gleiten aus dem Bettgestell hervor und verbinden sich über Thals Füßen zu einem Ring. Trotz Nanaks Ermahnung stellt Thal fest, dass ys den Atem anhält, als der Scanner mit der Pilgerfahrt sys Körper hinauf beginnt. Ys schließt die Augen, während sich der Ring aus Licht über sys Kehle schiebt, und versucht sich nicht jenen anderen Tisch hinter jener anderen Tür vorzustellen. Den Tisch, der gar kein Tisch ist, sondern ein Gelbett in einem Tank voller Roboter. Ys hat auf diesem Tisch gelegen, narkotisiert und nur noch einen Funken weit vom Tod entfernt, das Nervensystem an eine Medo-Kaih angeschlossen, die dafür sorgte, dass sys Lungen weiterpumpten, sys Herz weiterschlug, sys Blut weiterzirkulierte. Thal kann sich nicht erinnern, wie sich der Deckel des Tanks herabsenkte, sich verriegelte und sich mit mehr unter Druck gesetztem narkotisierendem Gel füllte. Aber ys kann es sich vorstellen, und die Vorstellung ist zur Erinnerung geworden, einer klaustrophobischen imaginären Erinnerung ans Ertrinken. Was ys sich nicht vorstellen kann – was ys sich nicht vorzustellen wagt –, sind die Roboter, die sich durch das Gel bewegen, um ys mit ausgestreckten Klingen jeden Zentimeter Haut vom Körper zu schälen.
Das war nur der Anfang.
Während die alte Haut verbrannt wurde und die neue im Tank heranwuchs, nachdem sie drei Monate zuvor aus einer DNS -Probe von Thal und einem Ei, das irgendeine Basti-Frau verkauft hatte, ausgesät worden war, machten sich die Maschinen an die Arbeit. Sie bewegten sich langsam durch das viskose, organische Gel, drangen unter den Schutzpanzer der Muskeln, lösten Fett aus dem Gewebe, wichen Blutbahnen und verstopften Arterien aus, zertrennten Sehnen, um an den Knochen heranzukommen. In ihren Büros in São Paulo operierten die billigen Chirurgen in der Luft mit Manipulatorhandschuhen und öffneten intime, blutige Schneisen in Thals Körper, den sie durch ihre Visiere sahen. Osteobots gestalteten Knochen um, formten hier eine Wange, weiteten einen Hüftknochen, schnitten Scheiben von den Schulterblättern, verrenkten und versetzten, amputierten und implantierten Plastik und Titan. Während sie arbeiteten, waren Teams von GUM bots damit beschäftigt, alle Genitalien zu entfernen, Harnleiter und Harnröhre umzuleiten und die Hormontrigger und neuralen Reaktionswege mit der Anordnung der subdermalen Zapfen zu verbinden, die in den linken Unterarm eingebettet worden waren.
Thal hört Nanak lachen. »Ich kann direkt in dich hineinschauen«, sagt ys kichernd.
Drei Tage hing Thal in diesem Tank, hautlos, ständig blutend, der ganze Körper ein Wundmal, während die Maschinen langsam und stetig arbeiteten, sys Körper Schicht um Schicht auseinandernahmen und wieder zusammensetzten. Dann hatten sie ihre Aufgabe erfüllt, und sie zogen sich zurück, worauf die Arbeit der Neuroboter begann. Sie wurden von anderen Ärzten gesteuert, einem Team in Kuala Lumpur. Während Thals dreitägiger Leidensgeschichte hatte sich der Markt für Neurochirurgie verändert. Dies war eine andersartige, wesentlich raffiniertere Wissenschaft, als Fleischbrocken wegzuschneiden und zusammenzufügen. Klickende Krabbenroboter verschweißten Proteinchips mit Nervenfasern, spleißten Nerven mit Drüseninduktoren und strukturierten Thals gesamtes Hormonsystem um. Gleichzeitig entfernten große Maschinen Thals Schädeldecke, und Mikromanipulatoren krochen zwischen die verknäuelten Ganglien wie Jäger in einem Mangrovensumpf, um Proteinprozessoren mit neuralen Clustern zu verpunktschweißen, im Rückenmark und Mandelkern, in den tiefen, dunklen Stützpfeilern des Geistes. Dann, am Morgen des vierten Tages, holten sie Thal vom Abgrund des Todes zurück und weckten ys auf. Die Kaih, die an die Hinterseite von Thals Schädel angeschlossen war, musste nun einen vollständigen Test des
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