Cyberabad: Roman (German Edition)
schlaffen, staubigen Schatten der absterbenden Mandelbäume. Es wird der bislang heißeste Tag, sagen Najias Poren. Es erreicht den Gipfel der Unerträglichkeit, bis es umschlägt, sagt Bernard. Sie überblickt den Horizont, während sie einen Schluck aus ihrer Wasserflasche nimmt, aber der Himmel hinter den Türmen von Ranapur ist ein umgestülpter Kessel aus gehämmerter Bronze.
Sie spürt die Hitze, die von dem großen Wagen mit Soft-Engine ausstrahlt, als er sich neben sie schiebt, ein Mercedes-Geländewagen, der skarabäusschwarz schimmert. Das verspiegelte Fenster senkt sich, das leise Stampfen des Dhol’n’Bass aus der Musikanlage wird schlagartig eine Stufe lauter.
»Hallo! Hallo!«
Ein zahnlückiger, dunkelgesichtiger Gunda grinst sie anzüglich an. Er trägt eine verknotete Perlenkette um den Hals.
Kopf runter, Fäuste hoch. Weiterlaufen. Ihr Arsch vibriert, ihr Palmer, den sie sich in den Hosenbund geklemmt hat, wird angerufen. Weder Stimme noch Video noch Text, sondern ein direkter Datentransfer. Dann überholt der Mercedes sie, und der Fahrer winkt ihr mit seinem Palmer zu und gibt ihr ein O.K. -Zeichen. Er steuert den schwarzen Wagen durch eine Lücke zwischen einem Bus und einem Wassertanklaster mit militärischer Eskorte in den Verkehr zurück.
Najia möchte in der Kühle des Pools im Garten des Imperial zusammensacken, aber ihre mysteriöse Message lässt ihr keine Ruhe. Es ist eine Videodatei. Ihr journalistisches Gespür ermahnt sie flüsternd zur Vorsicht. Sie geht mit dem Palmer in eine Duschkabine und ruft das Video auf. N. K. Jivanjee sitzt in einem hellen, luftigen Pavillon mit wunderschön gemusterten Kalamkaris. Der Stoff bauscht sich sanft, schwanger. N. K. Jivanjee namastiert.
»Ms. Askarzadah, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Ich vermute, es ist Morgen, wenn meine Mitarbeiter Ihnen diese Nachricht übermittelt haben. Ich hoffe, Sie hatten ein erfrischendes Walking. Ich glaube wirklich, dass Sport am frühen Morgen die beste Möglichkeit ist, den Tag zu beginnen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich weiterhin jeden Tag mit dem Surja-Namaskar begrüße, aber, ach ja, die Jahre ... Wie auch immer, meinen Glückwunsch, wie Sie meine letzten Informationen verwendet haben. Sie haben meine Erwartungen übertroffen, ich bin sehr, sehr erfreut. Aus diesem Grund habe ich entschieden, Ihnen die Veröffentlichung weiterer privilegierter Daten anzuvertrauen. Sie werden sie heute um Mitternacht von meinem Mitarbeiter entgegennehmen, an der Adresse, die Sie im Anschluss auf diesem Bildschirm sehen. Diese Informationen sind von höchster Brisanz, und ich glaube, dass ich nicht übertreibe, wenn ich sage, dass sie das politische Gefüge dieser Nation verändern werden. All meine bisherigen Warnungen werden wiederholt und verstärkt. Doch ich bin mir sicher, dass ich mich auch diesmal auf Sie verlassen kann. Vielen Dank, seien Sie gesegnet.«
Najia Askarzadah kennt die Adresse. Sie schließt ihren Palmer in ihrem Zimmer ein, bevor sie zu ihren Walking-Kameradinnen zurückkehrt, die bereits im blauen Pool planschen.
Geh einmal irgendwohin, und du wirst schneller wieder da sein, als du gedacht hast. Der Lärm im Club grenzt an Körperverletzung. Auf den Bänken aus Holzabfall drängen sich Männer, die mit ihren Wettscheinen winken und in Richtung des blutbespritzten Sandes brüllen. Viele sind in Uniform. Jeder Krieg ist eine Wette. Die Anweisungen auf ihrem Palmer führen sie die Treppe hinunter in die Arena. Die Geräusche und der Gestank nach Schweiß und verschüttetem Bier und oxidiertem Parfüm sind überwältigend. Najia zwängt sich zwischen den schreienden und gestikulierenden Körpern hindurch. Durch den Wald aus Händen kann sie die Kampf-Mikrosäbler erkennen, die von ihren Besitzern hochgehalten werden, während sie sich im Ring zur Schau stellen. Sie fragt sich, was aus dem hübschen, animalischen Jungen geworden ist, der ihr am ersten Abend aufgefallen ist. Dann werden die Katzen auf den Boden gesetzt, ihre Besitzer springen über die Wände der Arena, und die Menge stürmt mit einem hymnischen Gebrüll nach vorn. Najia kämpft sich zu den Satta-Ständen durch. Die Buchmacher mustern sie mit ihren runden, fliederfarbenen Brillen. Eine dicke Frau winkt sie heran.
»Setzen Sie sich. Setzen Sie sich hier neben mich.«
Najia zwängt sich auf die Bank. Die Kleidung der Frau riecht nach verbranntem Ghee und Knoblauch.
»Haben Sie etwas für mich?«
Die Satta-Frau ignoriert
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