Cyberabad: Roman (German Edition)
zu gewöhnen, aber ich glaube, Skandinavien wäre das Beste für uns.«
Bilquis hat die Augen geschlossen. Sie hebt eine Hand. »Bitte, hör auf damit.«
»Es muss nicht Skandinavien sein. Auch Neuseeland ist ein nettes, fernes Land ...«
»Weder Skandinavien noch Neuseeland. Shaheen, ich werde nicht mit dir gehen. Ich habe genug. Außerdem bist du nicht derjenige, der sich entschuldigen muss. Sondern ich. Shaheen, ich habe unsere Vereinbarung gebrochen. Ich habe es ihnen gesagt. Du glaubst, du seist der Einzige mit einem geheimen Doppelleben? Nein! Das bist du nicht! Aber so warst du die ganze Zeit, Shaheen, so arrogant und davon überzeugt, dass du der Einzige bist, der mit Lügen und Geheimnissen lebt. Shaheen, in den vergangenen fünf Jahren habe ich für N. K. Jivanjee gearbeitet. Für die Shivaji, Shaheen. Ich, die Begum Bilquis Badoor Khan, habe dich an die Hindutva verraten.«
Shaheen Badoor Khan spürt, wie der Regen, der Donner, die Stimme seiner Frau zu einem feinen Zischen verschwimmen. Jetzt versteht er, wie jemand an Schock sterben kann.
»Was soll das?«, hört er sich erwidern. »Das ist Unsinn. Du redest völligen Unsinn, Frau.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es wie Unsinn klingt, Shaheen, wenn eine Frau ihren Mann an seine größten Feinde verrät. Aber ich habe es getan, Shaheen. Ich habe dich an die Hindus verraten. Deine eigene Frau. Von der du dich jede Nacht abgewendet hast, als wir noch in einem gemeinsamen Bett geschlafen haben. Fünf Empfängnisse, fünf Ficks. Ich habe mitgezählt, fünf Ficks, eine Frau erinnert sich an so etwas. Und nur zweien davon wurde erlaubt, sich zu unseren guten Söhnen zu entwickeln. Fünf Ficks. Verzeihung, hat meine Derbheit dich schockiert? So sollte eine angesehene Begum nicht sprechen, nicht wahr? Du solltest hören, was diese guten Begums sagen, wenn sie unter sich sind, Shaheen. Frauen reden miteinander. Oh, deine Ohren würden vor Scham brennen. Schamlose Geschöpfe sind wir, wenn wir in unseren Kämmerchen und Kränzchen miteinander allein sind. Sie wissen es, alle Frauen wissen es. Fünf Ficks, Khan. Ich habe es ihnen gesagt, es jedoch nicht. Das habe ich ihnen nicht gesagt, Shaheen.
Ich habe es ihnen nicht gesagt, weil ich immer noch dachte, ich hätte einen großen Mann, einen Stern, der in den schwarzen Himmel emporsteigt, mit einem bedeutenden Amt und Aussichten auf mehr, auch wenn er in seinem eigenen Bett liegt und von Dingen träumt, die ich mir als Mensch nicht einmal vorstellen kann. Aber eine Frau kann sehr viel in den Hintergrund drängen, wenn sie glaubt, dass ihr Ehemann große Dinge erreichen könnte, dass du so groß wie deine Vorfahren werden könntest, die dort begraben liegen, Shaheen. Eine Frau, die sich ihren Mann frei aussuchen konnte, die ihn mit ihrem Herzen und ihrem Körper geliebt hätte, die ebenfalls in eine gehobene Position hätte aufsteigen können. Eine Frau, die ihre eigene gute Ausbildung und ihr Potenzial hat, die jedoch in die goldene Purdah gezwungen wurde, weil auf jede Anwältin fünf Anwälte kommen. Verstehst du, was ich damit sagen will, Shaheen? Eine solche Frau erwartet etwas. Und wenn dieser Stern aufsteigt und dann anhält, wenn er sich nicht weiterbewegen würde, nicht höher steigen würde, während andere Sterne an ihm vorbeiziehen und ihn überstrahlen ... Was sollte diese Frau dann tun, Shaheen? Was sollte diese Ehefrau und Begum dann tun?«
Shaheen Badoor hat vor Scham die Hände vors Gesicht geschlagen, aber er kann die Worte nicht aufhalten, die durch den Regen, den Donner und seine Finger dringen. Er hatte sich für einen guten und treuen Berater seiner Premierministerin, seiner Regierung und seines Landes gehalten, aber er erinnert sich an seine Reaktion, als Sajida Rana ihm auf dem Rückflug von Kunda Kahar einen Kabinettsposten anbot: Furcht vor der Bloßstellung, Angst, dass es aus ihm hervorquillt wie Blut aus einer durchgeschnittenen Kehle. Jetzt erkennt er, bei wie vielen Gelegenheiten im Laufe seiner Karriere er einen solchen Schritt in eine öffentliche Machtposition hätte machen können, aber jedes Mal zurückgewichen war, gelähmt von der Furcht vor dem unweigerlichen Absturz.
»Jivanjee?«, sagt er matt. Das Herz des Wahnsinns in diesem uralten Mughal-Trommelturm im Herzen eines Monsunsturms: Seine Frau ist eine Agentin von N. K. Jivanjee.
Sie lacht. Für ihn gibt es kein schlimmeres Geräusch.
»Ja, Jivanjee. All die Nachmittage, an denen ich den Juristinnenzirkel
Weitere Kostenlose Bücher