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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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Füße an der Tür. Die Sowars stellen einen kleinen, aber offensichtlich kräftigen Bangla, adrett wie ein Beo in einem unerklärlicherweise trockenen schwarzen Anzug.
    »Ich bestehe darauf, mit Ihrem ...«
    »Lassen Sie ihn herein«, befiehlt Mr. Nandha. Die Strahlen von Suchscheinwerfern dringen durch die strömenden Löcher im Dach und erhellen das Büro. Der Bangla blickt sich schockiert um, während die Soldaten zurückweichen.
    »Was hat das alles zu bedeuten?«, will der Bangla wissen.
    »Ihr Name, Sir?«, fragt Mr. Nandha, der sich seines durchnässten Anzugs überdeutlich bewusst wird.
    »Ich heiße Chakraborty. Ich arbeite als Anwalt für dieses Unternehmen.«
    Mr. Nandha hebt die linke Hand. Das Bild in seiner Handfläche zeigt das Symbol der offenen Hand, die für das Ministerium steht. Die Hand in der Hand.
    »Ich führe eine Ermittlung wegen der illegalen Haltung einer Künstlichen Intelligenz der Generation Drei durch, was einen Verstoß gegen Paragraph siebenundzwanzig der Internationalen Vereinbarungen von Lima darstellt«, sagt Mr. Nandha.
    Der Bangla blickt ihn blinzelnd an. »Witzbold.«
    »Sir, gehören diese Räumlichkeiten der Firma Odeco Incorporated?«
    »In der Tat.«
    »Bitte lesen Sie diesen Durchsuchungsbefehl.«
    Die Sowars haben den Generator aufgebaut und hängen überall im Büro Klemmlampen auf.
    Chakraborty dreht Mr. Nandhas Hand ins Licht der nächsten Lampe. »Eine Anweisung zur Exkommunikation, wie der Vorgang inoffiziell bezeichnet wird.«
    »Ausgestellt vom Büro des Justizministers höchstpersönlich.«
    »Ich werde eine offizielle Beschwerde und einen Antrag auf Schadensersatz einreichen.«
    »Natürlich, Sir. Alles andere wäre unprofessionell. Nun seien Sie bitte vorsichtig. Meine Agenten müssen ihre Arbeit erledigen, und ihre Waffen sind geladen.«
    Sowar-Ingenieure spannen wasserdichte Planen über die Löcher in der Decke. Jawans entrollen Kabel, die sie an die Prozessoren anschließen. Vik sitzt bereits an den Terminals und hat seine eigene Avatar-Box in die Systeme eingeklinkt.
    »Hier ist nichts.«
    »Zeigen Sie es mir.«
    Mr. Nandha spürt Chakraborty an seiner Seite, wie er sich schmunzelnd über Vik beugt, der vor dem Rollbildschirm hockt. Vik klickt sich durch einen Speicher nach dem anderen.
    »Wenn es hier jemals eine Gen-Drei gegeben hat, ist sie längst verschwunden«, sagt er. »Moment mal ... schauen Sie sich das an! Unser Freund Vishram Ray.«
    »Sir.« Madhvi Prasad an einem anderen Bildschirm. Sie zieht zwei Bürostühle mit abgebrochenen Rückenlehnen heran.
    Mr. Nandha setzt sich neben sie. Seine Socken quietschen in seinen Schuhen, und die Entwürdigung lässt ihn zusammenzucken. Es ist schlecht, die wichtigsten Ermittlungen seiner Karriere in quietschenden Baumwollsocken durchzuführen. Noch schlimmer ist es, von einem aalglatten Bangla-Anwalt als Witzbold bezeichnet zu werden. Doch das Allerschlimmste ist der Vorwurf, kein Mann zu sein, ein schwanzloser Hijra, in der eigenen Küche, unter dem eigenen Dach, von der Mutter der eigenen Ehefrau, von einer verhutzelten Witwe vom Lande. Mr. Nandha verdrängt das Gefühl der Demütigung. Die nackten Sadhus, die im Regen tanzen, ertragen viel mehr für viel weniger.
    »Was wollen Sie mir zeigen?«, fragt Mr. Nandha.
    Prasad dreht den Monitor zu ihm herum.
    Ein strahlender Morgen am neuen Ghat von Patna. Fähren und Tragflügelboote drängen sich am Rand des Bildes, Geschäftsleute und Arbeiter bevölkern den Hintergrund, und ganz hinten glitzern die Türme des neuen Commercial Bund im östlichen Licht. Im Vordergrund stehen drei lächelnde Personen. Die eine ist Jean-Yves Trudeau, die andere seine Frau Anjali. Sie haben die Arme um eine dritte Person gelegt, die zwischen ihnen steht, ein Mädchen, um die achtzehn Jahre alt, mit einer hellen Bräune wie in einer idealen Heiratsannonce. Sie ist einen Kopf kleiner als die Westler, aber sie zeigt ein strahlendes Lächeln, trotz des rasierten Schädels, an dem Mr. Nandha die haarfeinen Narben einer kürzlich erfolgten Operation erkennt.
    Mr. Nandha beugt sich näher heran. Der Regen hat ihn ausgekühlt, und sein Atem dampft im blauen Schein der provisorischen Beleuchtung.
    »Das ist es, was wir zerstören sollten.« Er tippt mit dem Finger auf das Gesicht des Mädchens. »Sie hier ist noch am Leben.«

39 Kunda Khadar
    Zehn Tage lang haben die langsamen Drohnen das flache, versengte Land im Westen Bharats überquert. Noch während die Awadhi-Garnison in Kunda

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