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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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breitet sich über die flachen Stufen aus. Eine Berührung mit der Flamme des Gaskochers, und Feuer erfüllt die enge Gasse. Rufe, Schreie.
    »Komm.« Vishram nimmt Marianna am Ellbogen und eilt mit ihr die Stufen hinunter.
    Die Pilotin hat die Triebwerke bereits warmlaufen lassen, als Vishram und Marianna hinter ihr auf die Sitze springen. Shastri weicht vor den Triebwerksstrahlen zurück, die Hände segnend erhoben. Der Senkrechtstarter steigt durch den Wolkenbruch auf, während die Menschen über die Treppe herunterströmen, wie Ratten zum Wasser hetzen. Sie schwenken Lathis und heben Stöcke auf und werfen Steine auf den fremden Eindringling. Die Pilotin ist bereits viel zu hoch. Sie wendet das Flugzeug, und Vishram sieht das Feuer wie einen Teich aus Hitze, der sich von einem Gebäude zum nächsten ausbreitet, wie eine Flüssigkeit, unbeeinträchtigt durch den Regen.
    »Das Zeitalter Kalis«, flüstert er. Der Tiefpunkt der Geschichte, wenn Zwietracht und Korruption unter den Menschen herrschen und der Himmel geschlossen ist, wenn die Ohren der Götter taub sind und die Entropie ihr Maximum erreicht und es keine Hoffnung mehr gibt. Wenn die Erde durch Feuer und Wasser vernichtet wird, denkt Vishram, als der Senkrechtstarter in den Horizontalflug übergeht, wenn die Zeit anhält und das Universum neu geboren wird.

41 Lisa
    Draußen vor dem Bogengewölbe fällt der Regen wie ein Vorhang, und Lisa Durnau ist bei ihrem dritten Gin. Sie sitzt in einem Korbstuhl auf dem Marmorboden der Säulenhalle. Die einzigen anderen Menschen auf der Terrasse sind zwei Tee trinkende Männer in billigen Anzügen und Sandalen. Von ihrem Beobachtungsposten aus kann sie das Haupttor und die Rezeption im Auge behalten. Der Lärm des Regens auf dem ermatteten Stein ist unglaublich. Ein mächtiger Sturm, selbst im Vergleich zum Mittelwesten. Mit Blitzen und allem Drum und Dran.
    Wieder leer. Sie gibt dem Kellner ein Zeichen. Sie alle sind junge, schüchterne Nepalis, die als Rajputs verkleidet sind, hier in Bharat, in Varanasi. Damit kann sie nicht umgehen. Hier im schwarzen Norden gibt es kaum etwas, womit sie umgehen kann. Sie hatte sich gerade an den schönen zivilisierten Süden und seine sanfte Anarchie gewöhnt, als sie mitten in einer Nation und einer Stadt abgesetzt wurde, wo alles genauso aussieht und die Menschen genauso gekleidet sind, aber sonst alles völlig anders ist.
    Der Taxifahrer hatte die Worte »Amerikanisches Konsulat« als Einladung genommen, sie zu betrügen, sie um einen Kreisverkehr herumzufahren, auf dem eine große Statue von Ganesha unter einem komischen kleinen Pavillon und einem Plakat mit der Aufschrift Gerippt und aufregend! Kordhosen! stand.
    »Sarkhand Roundabout«, rief der Fahrer. »Gefahrengeld Gefahrengeld.«
    Auf jede glatte Fläche waren Hakenkreuze gemalt worden. Lisa konnte sich nicht erinnern, wie herum sie richtig und welche das faschistische Spiegelbild waren, aber der Anblick bereitete ihr so oder so Unbehagen.
    Rhodes, der Konsulatsbeamte, blätterte sich durch ihre Beglaubigungen.
    »Was genau sollen Sie mit all diesen Genehmigungen machen, Ms. Durnau.«
    »Einen Mann finden.«
    »Jetzt ist keine gute Zeit für so etwas. Die Botschaft rät allen US-Bürgern, das Land zu verlassen. Wir können keine Garantie für Ihre Sicherheit übernehmen. Amerikanische Einrichtungen wurden angegriffen. Man hat einen Burger King niedergebrannt.«
    »Extra-heiß vom Flammengrill.«
    Er zeigte den winzigsten Ansatz eines gepressten Lächelns. Mit hochgezogener Augenbraue blickte er auf die Lade. Lisa Durnau wünschte sich, so etwas auch zu können. Er gab ihr die Dokumente zurück. »Also gut, dann viel Erfolg bei Ihrer Mission, was auch immer Sie erreichen wollen. Wenn wir Ihnen irgendwie helfen können, werden wir es tun. Und ganz gleich, was sonst gesagt wird, dies ist eine großartige Stadt.«
    Aber für Lisa Durnau ist Varanasi eine Stadt der Asche, trotz der Neonreklamen und Hochhäuser und hell erleuchteten Shikharas. Asche auf den Straßen und Schreinen und Tempeln, Asche auf der Stirn der heiligen Männer, Asche auf den stromlinienförmigen Kotflügeln und Dächern der Marutis und Phatphats. Ein Himmel aus Asche, wie eine brechende Welle aus dunklem Ruß. Selbst in der klimatisierten Luft ihres Hotelzimmers spürte sie schmierige Kohlenwasserstoffe auf ihrer Haut. Lulls Hotel war ein hübsches islamisches Stadthaus mit Marmorfußböden und unerwarteten Zwischenstockwerken und Balkonen, aber ihr

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