Cyberabad: Roman (German Edition)
findet ein großer Empfang drüben im Haus der Dawars statt. Ein recht bedeutendes Ereignis. Da ist es wirklich nett. So viele Bäume. Aber Mr. Nandha sagt, es sei umständlich, zu weit draußen. Zu viel Fahrerei. Ich kann hier alles haben, was sie da draußen haben, und es ist viel praktischer.«
Krishan benötigt zwei Gänge von der Straße aufs Dach, um die alten Eisenbahnschwellen aus Holz heraufzuschaffen, die er für die Einfassung der Beete benutzt. Er legt sie in grober Anordnung aus, dann schneidet und formt er die wasserdichte Folie und breitet sie aus. Parvati Nandha sitzt auf dem Rand des Tomaten- und Paprikabeets.
»Mrs. Nandha, verpassen Sie nicht die neue Folge von Stadt und Land ?«, fragt Krishan.
»Nein, heute wurde sie auf halb zwölf verschoben. Es ist der letzte Tag der Testspiele gegen England.«
»Ich verstehe«, sagt Krishan, der Cricket liebt. Wenn sie geht, könnte er das Radio heraufholen. »Lassen Sie sich von mir nicht stören.« Er macht sich bereit, die Entwässerungslöcher in die Schwellen zu bohren, doch er ist sich die ganze Zeit bewusst, dass Mrs. Nandha immer noch dort sitzt und ihn beobachtet.
»Krishan«, sagt sie nach einer Weile.
»Ja, Mrs. Nandha?«
»Es ist einfach .... es ist so ein schöner Tag, und wenn ich da unten bin, höre ich all das Poltern und Hämmern von hier oben, aber ich bekomme es nie zu sehen, bevor es fertig ist.«
»Ich verstehe«, sagt Krishan, der Mali. »Sie stören mich nicht.«
Aber sie stört ihn doch.
»Mrs. Nandha«, sagt er, während er die letzte Eisenbahnschwelle verbolzt. »Ich glaube, Sie verpassen Ihre Sendung.«
»Wirklich?«, sagt Nandha Parvati. »Oh, ich habe gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen ist. Kein Grund zur Sorge, ich kann mir die Wiederholung im Vorabendprogramm ansehen.«
Krishan schleppt einen Sack mit Kompost heran, schlitzt ihn mit dem Gärtnermesser auf und lässt die schwere braune Erdnahrung durch seine Finger auf das Dach rieseln.
Der Hund brennt mit abscheulichem öligem Rauch. Jashwant der Jain steht mit geschlossenen Augen da, vor ihm sein Besenjunge. Ob er sie zum Gebet oder vor Wut geschlossen hat, kann Mr. Nandha nicht sagen. Innerhalb weniger Momente hat sich der Hund in einen hell leuchtenden kleinen Feuerball verwandelt. Die anderen Hunde wuseln weiter kläffend um Mr. Nandhas Füße herum. Mit ihren kleinen programmierten Obsessionen sind sie zu dumm, die Gefahr zu erkennen.
»Sie sind ein gemeiner, grausamer Mann«, sagt Jashwant der Jain. »Ihre Seele ist schwarz wie Anthrazit, und Sie werden niemals das Licht des Moksha erreichen.«
Mr. Nandha schürzt die Lippen und richtet seine Waffe auf ein neues Ziel, einen Cartoon-Scoobi mit schwermütigen Augen und gelb-braun geschecktem Fell. Als das Ding die Aufmerksamkeit spürt, wedelt es mit dem Schwanz und watschelt mit hängender Zunge durch das hektische Gewimmel der Roboterhunde auf Mr. Nandha zu. Mr. Nandha betrachtet Tierschutzorganisationen als lächerliche soziale Affektiertheit. Varanasi kann seine Kinder nicht ernähren, ganz zu schweigen von seinen ausgesetzten Katzen und Hunden. Heime für Cybertiere lösen in ihm eine noch viel tiefere Verachtung aus.
»Sadhu«, sagt Mr. Nandha. »Was wissen Sie über ein Unternehmen namens Odeco?«
Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Ministerium an das Mahavira Compassion Home for Artificial Life wendet. Im Jainismus wird eine lebhafte Debatte geführt, ob Cyberhaustiere und Künstliche Intelligenzen eine Seele haben oder nicht. Jashwant jedoch ist alte Schule, ein Digambara. Alles, was lebt, sich bewegt, isst und sich fortpflanzt, ist Jiva. Wenn die Kinder also genug von ihrem Cyber-Scoobi haben und der Cyberwachhund »Treuer Freund« achtzehnmal pro Nacht die Polizei ruft, gibt es neben den Müllhaufen von Ramnagar noch eine andere Zuflucht. Auch gejagte Kaihs finden hier immer wieder Unterschlupf. Mr. Nandha und seine Avatare waren in den letzten drei Jahren zweimal hier, um Massenexkommunikationen durchzuführen.
Jashwant hat draußen vor dem verwahrlosten Lagerhaus aus gepresstem Aluminium im Geschäftsviertel von Janpur auf ihn gewartet. Jemand oder etwas hat ihn gewarnt. Mr. Nandha wird hier nichts mehr finden. Als Jashwant vortrat, um den Mann vom Ministerium zu begrüßen, entfernte sein Feger, ein zehnjähriger Junge, eifrig mit einem langstieligen Besen Insekten und kriechende Tiere vom Weg des heiligen Mannes. Als Digambara trägt Jashwant keine Kleidung. Er ist ein großer
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