Cyberabad: Roman (German Edition)
Nandha.
»Eins kann ich Ihnen schon jetzt sagen.« Vik tippt mit dem Finger auf eine Codezeile, die der blassblaue Bildschirm anzeigt.
»Aha«, sagt Mr. Nandha mit einem dünnen Lächeln.
»Unser alter Freund Jashwant der Jain.«
Parvati Nandha sitzt in einer Laube aus Amarant auf dem Dach ihres Wohnblocks. Mit der Hand schirmt sie die Augen ab, um einen weiteren Militärtransporter zu beobachten, der von Osten herangleitet und über den Konzernhochhäusern von New Varanasi verschwindet. Sie und die in großer Höhe kreisenden schwarzen Milane sind die einzigen Störungen des Friedens in ihrem Garten im Herzen der Stadt. Parvati tritt an die Kante und blickt über die Brüstung. Zehn Stockwerke tiefer ist die Straße voller Menschen, wie ein Arm voll mit Blut ist. Sie geht über den gefliesten Platz bis zum erhöhten Beet, rafft ihren Sari und beugt sich herab, um die Kürbissämlinge zu inspizieren. Das Verdunstungszelt aus Plastik ist matt von der Feuchtigkeit. Auf dem Dach herrscht bereits eine Lufttemperatur von siebenunddreißig Grad, und der Himmel ist schwer, undurchdringlich, nahe und karamellfarben vom Smog. Parvati lugt durch die Lücke zwischen der Folie und dem Boden und atmet den Geruch nach Humus und Mulch und Feuchtigkeit und Wachstum ein.
»Lassen Sie sie selber wachsen.«
Krishan ist ein großer Mann, der sich sehr leise bewegen kann, wie es viele große Männer können, aber Parvati hat die Kühle seines Schattens auf den weichen Haaren ihres Nackens gespürt wie Tau auf den Kürbisblättern.
»Oh, Sie haben mich erschreckt!«, sagt sie sittsam und verwirrt. Es ist ein Spiel, mit dem sie sich gerne die Zeit vertreibt.
»Verzeihen Sie, Mrs. Nandha.«
»Und?«, sagt Parvati.
Krishan zieht seine Brieftasche hervor und reicht Parvati einen Hundert-Rupien-Schein. »Wie haben Sie das erraten?«
»Oh, es war offensichtlich«, sagt Parvati. »Es konnte nur Govind sein. Warum hätte er sie sonst bis zu diesem üblen Haus in Brahmpur East verfolgen sollen, nur um sie zu verspotten und zu verhöhnen? Nein nein, nur ein wahrer Ehemann würde seine Frau wiederfinden, ganz gleich, was sie getan hat, und ihr verzeihen und sie nach Hause bringen. Bereits in dem Moment, als er an der Tür dieses Thai-Massage-Hauses auftauchte, wusste ich, dass er es war. Die Verkleidung als Airline-Pilot konnte mich nicht täuschen. Ihre Familie mag sie verstoßen, aber niemals ein wahrer Ehemann. Jetzt muss er sich nur noch an dem Regisseur dieser SupaSingingStar Show rächen ...«
»Khursheed.«
»Nein, der betreibt das Restaurant. Arvind ist der Regisseur. Govind wird die Gelegenheit zur Rache erhalten, falls die Chinesen ihn nicht vorher wegen dieses Casino-Projekts drankriegen.«
Krishan kapituliert und wirft die Hände hoch. Er ist kein Fan von Stadt und Land , aber er wird es sich ansehen und auf die unvorstellbar komplexe Handlungsentwicklung wetten, wenn er damit seine Klientin glücklich macht. Es ist ein seltsamer Auftrag, diese kleine Farm oben auf einem Wohnblock in der Innenstadt. Ein Kompromiss, wie es scheint. Diese Ehen zwischen Stadt und Land sind manchmal schwierig.
»Ich werde für Sie Chai kochen müssen«, sagt Parvati. Krishan beobachtet, wie sie die Treppe hinunterruft. Sie besitzt die ganze Grazie des Landes. Die Stadt für den Glanz, das Dorf für die Weisheit. Krishan denkt über ihren Ehemann nach. Er weiß, dass er Beamter ist und seine Rechnungen sofort und ohne Diskussion bezahlt. Da Krishan lediglich eine Häfte des Bildes sieht, kann er nur spekulieren, was die Beziehung, die Anziehung betrifft. Manchmal fragt er sich, wie er jemals eine Frau finden soll, wenn selbst ein Mädchen aus geringer Kaste mit einem Blick und einer Handbewegung einen soliden Mann der Mittelklasse für sich gewinnen kann. Sei ein guter Gärtner. Verdien Geld, pflanz es an, lass es zu mehr Geld wachsen. Kauf dir einen Maruti und zieh hinaus nach Lotus Gardens. Da draußen wirst du eine gute Partie finden.
»Heute«, kündigt Krishan an, als er mit seinem Chai fertig ist und das Glas auf die Holzeinfassung des Hochbeets stellt, »habe ich mir überlegt, vielleicht Bohnen und Erbsen dort drüben, als Abschirmung. Nach links ist alles offen. Und hier ein Viertelbeet für Salatgemüse in westlichem Stil. Salat im westlichen Stil ist die ganz große Sache bei Dinnerpartys. Wenn Sie Ihre Gäste bewirten, kann der Koch ihn frisch geschnitten verarbeiten.«
»Wir haben keine Gäste«, sagt Parvati. »Aber heute Abend
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