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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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gerade eintippen, als das Gerät piept. Das ist bestimmt Bernard. Nicht sehr tantramäßig, in eine Kampfarena zu gehen. Auch nicht sehr tantramäßig, mit einem anderen Mann auszugehen. Nicht dass er besitzergreifend wäre, also muss er ihr nichts verzeihen, aber sie muss sich die Frage stellen: Wird es mich auf meinem Weg zum Samadhi weiterbringen?
    »Bernard«, sagt Najia Askarzadah, »verpiss dich. Ich mein’s ernst. Ich dachte, du wärst nicht eifersüchtig. Oder ist das nur etwas, das du allen Frauen sagst, genauso wie dieses tantrische Ding mit deinem Schwanz?«
    »Ms. Askarzadah?«
    »Oh, tut mir leid. Ich dachte, es wäre jemand anders.«
    Sie hört nur noch luftiges Rauschen.
    »Hallo? Hallo?«
    Dann: »Ms. Askarzadah. Kommen Sie zum Lagerhaus von Deodar Electrical, Industrial Road, in einer halben Stunde.« Eine gebildete Stimme mit leichtem Akzent.
    »Hallo? Wer sind Sie? Hören Sie, es tut mir leid wegen ...«
    »Das Lagerhaus von Deodar Electrical, Industrial Road.«
    Und weg ist er. Najia Askarzadah blickt auf den Palmer, als hätte sie einen Skorpion in der Hand. Keine Rückrufnummer, keine Erklärung, keine Identifizierung. Sie tippt die Adresse ein, die die Stimme ihr genannt hat, und der Palmer zeigt eine Streckenkarte an. Eine Minute später fährt sie mit ihrem Moped durch das Tor. Deodar Electric ist Teil des alten Studiogeländes von Stadt und Land , das in kleinere Betriebe aufgeteilt wurde, als die Serie auf virtuell umgestellt und in die Zentrale von Indiapendent in Ranapur verlegt wurde. Die Straßenkarte führt sie zum riesigen Tor des Hauptstudios, wo ein Teenager in langer Kurta und Weste an einem Tisch sitzt und sich die Radioreportage eines Cricketspiels anhört. Najia bemerkt, dass er einen Dreizack-Anhänger der Shivaji trägt, ähnlich wie der, den sie an der Kette um Satnams Hals gesehen hat.
    »Jemand hat mich angerufen, dass ich hierherkommen soll. Ich bin Najia Askarzadah.«
    Der Junge mustert sie von oben bis unten. Er hat den Ansatz eines Schnurrbarts.
    »Aha. Ja, man hat uns gesagt, dass wir mit Ihnen rechnen sollen.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Bitte folgen Sie mir.«
    Er öffnet eine kleine Durchgangstür in einem Flügel des Tors. Sie gehen geduckt hindurch.
    »Oh, wow!«, sagt Najia Askarzadah.
    Die Rath Yatra ragt fünfzehn Meter hoch unter den Flutlichtern des Studios auf, eine rot-goldene Pyramide aus verschiedenen Ebenen und Brüstungen, mit einer wilden Ansammlung von Göttern und Adityas. Es ist ein mobiler Tempel. An der Spitze, die fast die Dachträger des Studios berührt, befindet sich eine Plexiglas-Kuppel mit einer Ganesha-Statue. Der Gott des Volkes, den die Shivajis für sich beanspruchen, sitzt auf einem Thron. Der Sockel, der auf zwei Tiefladern ruht, bildet einen weitläufigen Balkon für Parteifunktionäre und die Presse.
    »Die Laster sind aneinandergekoppelt«, erklärt ihr Führer enthusiastisch. »Sie können sich nur gemeinsam bewegen, sehen Sie? Wir werden Seile anbringen, wenn die Leute möchten, dass sie beim Ziehen gesehen werden, aber bei der Shivaji geht es nicht darum, irgendjemanden auszunutzen.«
    Najia hat noch nie einen Raketenstartplatz gesehen, aber sie stellt sich vor, dass in den Montagehallen für Weltraumtechnik eine ähnliche Betriebsamkeit herrscht. Überall Kräne und Gerüste, Arbeiter in Anzügen und Schutzmasken, die an den goldenen Flanken hinauf- und hinunterkriechen, leichte Bauroboter, die ihre Klebepistolenrüssel in Ritzen und Winkel stecken. Die Luft ist von den Dämpfen der Farben und Glasfasern erfüllt, die Stahlbaracke hallt von Hochleistungsheftmaschinen, Bohrern und Kreissägen wider. Najia beobachtet, wie ein Vasu an einem Flaschenzug emporgehoben wird. Zwei Arbeiter mit Shivaji-Stickern an den Overalls kleben ihn im Zentrum einer Rosette aus tanzenden Begleitern rund um einen thronenden Vishnu fest. Und genau in der Mitte ragt die goldene Zikkurat des heiligen Fahrzeugs auf. Der eigentliche Triumphwagen des Jagannath.
    »Es ist kein Problem, wenn Sie Fotos machen möchten«, sagt der jugendliche Führer. »Wir verlangen keine Gebühr.« Najias Hände zittern, als sie die Kamera ihres Palmers aufruft. Sie geht zwischen die Arbeiter und Maschinen und knipst, bis ihr Speicher voll ist.
    »Kann ich auch ... ich meine ... für die Presse?«, stammelt sie an den Shivaji gewandt, der im Studio die einzige Person zu sein scheint, die irgendeine Autorität darstellt.
    »Aber ja«, sagt er. »Ich vermute, dass Sie

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