CyberCrime
betrieben, und von den Aktivitäten der DHKP/C.
Was führte er sonst noch im Schilde? Sein Vorgesetzter bei Fox Türkei war mittlerweile sehr misstrauisch. Ihm fiel auf, dass Mert fast nie die ihm übertragenen Aufgaben abschloss, sondern stattdessen eine Fülle von Ausreden vorbrachte, warum er nicht an seinem Arbeitsplatz saß. Er behauptete, er leide an einer schweren Krankheit, und er versuchte auch mehrfach, sich Geld von seinen Kollegen zu leihen. Wenn er so erfolgreich war, so fragte sich sein Chef, warum war er dann chronisch knapp bei Kasse?
Eines Tages entdeckte der Vorgesetzte, dass Mert alle seine Kollegen nach ihren Passwörtern gefragt hatte. Angeblich brauchte er sie, um ein größeres System-Upgrade zu installieren. Der Chef konnte die Umsetzung dieses Plans gerade noch rechtzeitig verhindern: Er hatte den Verdacht, dass Mert die Passwörter zu weniger ehrenwerten Zwecken verwenden wollte.
An einem anderen Tag, während er Mert in aller Stille im Auge behielt, fiel ihm ein Stapel Kreditkarten auf dem Tisch des Mitarbeiters auf. Später fand er zwei Personalausweise für Mert, und auf keinem von beiden stand der richtige Name, das richtige Geburtsdatum oder der richtige Geburtsort. Und schließlich bekam er mit, wie Mert eine Website aufrief, auf der detailliert erklärt wurde, wie man einen Geldautomaten knackt. Je länger Mert blieb, desto größer wurde sein Geldbedarf – und es ging um wahrhaft große Summen.
Mert hatte Sanem kennengelernt, eine Traumfrau, in die er völlig vernarrt war. Sanem ist der einzige Mensch auf der Welt, der mit Sicherheit sagen kann, ob Merts ungewöhnliche Geschichte stimmt oder nicht. Aber Sanem redet nicht.
32 Türkische Freuden
Das Sükrü-Saragoğlu-Stadion im belebten asiatischen Viertel Kadıköy war bis zum letzten Platz besetzt. Es war für Fenerbahçe das letzte Heimspiel der Saison. Der Verein hatte den Titel in der Süper Lig bereits gewonnen; das Spiel an einem Sonntag mit Kaiserwetter Ende Mai war also nur noch eine lautstarke Feier für Fußballfans, die zu den fanatischsten der Welt gehören.
In all das stolperte Mert Ortaç hinein. Vielleicht wirklich; vielleicht auch nur in seinem Kopf.
Oben in den VIP -Logen herrschte eine erwartungsfrohe, gesellige Atmosphäre. Şahin und sein zuverlässiger Adlatus Çağatay Evyapan warteten auf den Anstoß um 17 Uhr. Die Fußballfans von Instanbul waren so fanatisch wie kaum sonst irgendwo in Europa, und sie gliederten sich in drei Lager. Zwei davon, Galatasaray und Beşiktaş, waren auf der europäischen Seite der Stadt zu Hause, die gelb-marineblauen Hemden von Fenerbahçe hatten ihre Heimat jenseits des Bosporus in Asien. Şahin und Çağatay waren überzeugte Fenerbahçe-Anhänger, und Şahins Besuche in seiner Heimatstadt fielen gewöhnlich auf Tage, an denen gespielt wurde – er hatte im Stadion sogar eine VIP -Loge.
Unter den Freunden, die er zu dem Spiel eingeladen hatte, war auch Mert. Dieser, so sagte Şahin zu Çağatay, sei einer der neuen Jungs, die in seiner Skimmerfirma arbeiteten. Mert stellte den beiden auch Sanem vor, seine neue Freundin. Sie verdrehte Mert den Kopf, und ihr Kopf wurde durch den offen zur Schau getragenen Reichtum seiner Begleiter verdreht.
Über einige Leute in der VIP -Loge wusste Sanem bereits Bescheid. Mert Geheimnisse aus der Nase zu ziehen war nicht schwer. Er war nicht nur von Natur aus eine Tratschtante, sondern er wollte seine junge Geliebte, die nach seiner Einschätzung in einer ganz anderen Liga spielte als er, auch unbedingt beeindrucken. Der Anblick mächtiger Männer wie Şahin und seines gut gebauten Handlangers Çağatay, die in der VIP -Loge auf und ab gingen, war für Sanem sicher eine Bestätigung, dass ihr kleiner Mert wirklich eindrucksvolle Bekannte hatte. Das heißt, wenn das Fenerbahçe-Spiel nicht nur eine Episode aus Merts Träumen war.
Das Leben hatte es gut mit Mert gemeint. Zusammen mit Sadun verdiente er mit dem Betrug der Akbank mittlerweile gutes Geld. Als aktiver Informant des staatlichen Geheimdienstes erfreute er sich eines umfassenden Schutzes, und bei Cha 0 , der Schlüsselgestalt von DarkMarket, war er hoch angesehen. Vor allem aber verbrachte er jeden Tag und jede Nacht mit einer großartigen, wunderschönen jungen Frau, die offenbar ähnlich hingerissen war wie er.
Der Sommer war angebrochen, und Mert entschloss sich, Nutzen aus seinem angenehmen Schicksal zu ziehen: Er wollte in Antalya Urlaub machen, genauer gesagt in dem
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