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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Glenny
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müsse umfangreiche Kenntnisse über die Gemeinschaft der Carder und ihre Funktionsweise besitzen. Das war der Grund, warum er so begehrt war. Die Carder wollten durch ihn Kontakte zu ihresgleichen knüpfen, für die er bürgen konnte, oder sie wollten in Erfahrung bringen, was er über sie wusste. Die Polizei in den Vereinigten Staaten und Westeuropa suchte nach ihm, weil sie hoffte, sie könne ihn im Rahmen ihres Kreuzzuges gegen die Cyberkriminalität rekrutieren.
    Cyric war das Musterbeispiel für eine Gestalt aus dem Cyber-Untergrund: Er tauchte wie aus dem Nichts auf und legte eine grenzenlose, gleichzeitig aber auch abstoßende Arroganz an den Tag; gleichzeitig blieb es aber ein Rätsel, was ihn dazu motivierte, über endlose Stunden hinweg Nachrichten in die Foren zu stellen, sich an oftmals nutzlosen Diskussionen zu beteiligen und seine Kollegen zu ärgern.
    Bevor Mert Ortaç enthüllte, dass zwei der auffälligsten Autoren des Internet-Vorläufers Bulletin Board Service in der Türkei die Nicknames Cha 0 und Lord Cyric trugen, hatte niemand alle Fäden zusammengeführt.
    Mit seiner charakteristischen Mischung aus Charme und Doppelzüngigkeit stellte Mert – der im Frühjahr 2007 unter dem Spitznamen PilotM postete – sich bei Lord Cyric als eine dritte Person vor, und zwar als gemeinsamer Bekannter. »He, alter Junge!«, schrieb er ihm, »was hast du denn in so einem Forum zu suchen?« Cyric war erpicht darauf, dem Mann, der sich als alter Freund getarnt hatte, genau die gleiche Frage zu stellen! Wenig später chatteten die beiden fröhlich miteinander, wobei es insbesondere um Fragen der Verschlüsselung ging. Mert bemerkte, dass Lord Cyric ein äußerst begabter Computertechniker war, und das bestätigte seine Vermutungen über die wahre Identität dieser Gestalt. Nachdem sie einige Tage oder Wochen lang Ideen und Informationen ausgetauscht hatten, erklärte sich Cyric bereit, eine virtuelle Zusammenkunft zwischen Cha 0 und Mert (der immer noch vorgab, jemand anderes zu sein) zu ermöglichen. Über einen verschlüsselten ICQ -Austausch chattete Mert nun (natürlich auf Türkisch) mit Cha 0 .
    »Hör mal«, sagte Cha 0 zu Mert, »ich bin nicht oft in der Türkei. Meistens lebe ich im Ausland.« Dann fuhr er fort, er habe für seine Landsleute nicht viel übrig und vermeide wenn irgend möglich den Umgang mit ihnen. »Mein Name ist Şahin«, sagte er, »und Türkisch spreche ich nur, wenn es unbedingt sein muss.« Er sei bereit, sich mit Mert auf Türkisch zu unterhalten, weil Lord Cyric sie miteinander bekannt gemacht habe. »Er und ich sind sehr alte Freunde«, erklärte Cha 0 .
    Im April 2007 hatte Cha 0 dafür gesorgt, dass Dron aus DarkMarket ausgeschlossen wurde, und mit ihm ging auch Drons Fähigkeit verloren, die Mikroprozessoren auf seinen Skimming-Apparaten zu reparieren. Er fragte Mert, ob er dazu in der Lage sei, und Mert bejahte. Er beteiligte sich jetzt ernsthaft an Cha 0 s kriminellen Geschäften, und das bedeutete, dass er ein besonders wertvolles Gut ansammeln konnte: Vertrauen.
    Nur Mert behauptet, zwischen ihm selbst, Cha 0 und Cyric habe ein enges Verhältnis bestanden. Die beiden anderen können natürlich nicht mit Sicherheit sagen, ob sie Nachrichten mit Mert ausgetauscht haben, denn dieser gab sich ja als jemand anderes aus. Cha 0 stritt ausdrücklich ab, ihn vor jenem Schicksalstag, an dem er ihn entführte und sein Foto über Haber7 ins Internet stellte, jemals getroffen oder mit ihm kommuniziert zu haben.
    Und was noch wichtiger war: Niemand, weder in der Türkei noch sonst irgendwo, hat jemals die Existenz des rätselhaften Şahin bestätigt. Von Merts Aussage abgesehen, gibt es keinen Beleg dafür, dass Şahin existiert oder dass die beiden sich irgendwann getroffen haben. In einer wichtigen Hinsicht aber erwies sich Merts Aussage als richtig: Die Freundschaft zwischen Lord Cyric und Cha 0 reichte sehr weit zurück.
    Mert war natürlich immer noch für den türkischen Geheimdienst tätig. Am Abend, wenn er fast den ganzen Tag scheinbar bei Fox Türkei gearbeitet, sich auf DarkMarket herumgetrieben oder Mikroprozessoren für Cha 0 s illegale Skimmerproduktion zusammengelötet hatte, berichtete er seinen Führungsbeamten, was er tagsüber herausgefunden hatte. Er erzählte von einem polnischen Spammer namens Master Splyntr, von dem Sicherheitsgenie Grendel, von Lord Cyric und Cha 0 , von Backup-Servern, die die Administratoren von DarkMarket in mehreren europäischen Ländern

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