CyberCrime
Administrator hinzugekommen war, schien überhaupt nicht an Kauf oder Verkauf beteiligt zu sein. Alle waren zu sehr damit beschäftigt, das Ganze in Betrieb zu halten, und gleichzeitig genossen sie ihre Stellung als Legende innerhalb der Bruderschaft.
Außerdem hatte aber auch jeder von ihnen seine eigenen Geheimnisse, und manche waren alles andere als das, was sie zu sein schienen.
Paradoxerweise war derjenige, der seine persönliche Sicherheit besonders ernst nahm, in mancherlei Hinsicht auch am leichtesten zu durchschauen: Cha 0 . Der türkische Kriminelle war erst relativ spät zu den Carding-Foren gestoßen. Im Gegensatz zu den anderen war er kein Veteran von Shadowcrew oder IAACA , sondern er kam Anfang 2006 als Betreiber eines Forums namens crimeenforcers.com aus dem Nichts. Die Site war elegant gestaltet und bot angehenden Cyberkriminellen alle möglichen Dienstleistungen. Besonders bemerkenswert waren ihre animierten Tutorials: Darin trat eine Comicversion von Cha 0 auf, die den Zuschauer durch die Feinheiten des Carding führte.
Cha 0 nutzte DarkMarket, um Reklame für crimeenforcers zu machen (bezahlte Werbung war für die Foren eine wichtige Einnahmequelle), und seine Allgegenwart sowie seine unermüdlichen geschäftlichen Transaktionen verschafften ihm schon bald großen Einfluss. Er kam im Februar 2006 zu DarkMarket und wurde bereits sieben Monate später zu einem der Chefs ernannt.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen gehörte er zur seltenen Spezies der Technikfreaks mit hochintelligentem Verbrecherverstand. Seine Motivation, die Führungsrolle anzunehmen, war einfach: Er konnte mit ihrer Hilfe sein Unternehmen als Verkäufer der Gerätschaften fördern, die man für Wirtschaftsverbrechen brauchte; dazu gehörten beispielsweise die »Skimmer«, Apparate, die fremde Kreditkartendaten lesen, speichern und übertragen können.
Aber wie bei den anderen Führungsgestalten von DarkMarket, so erwies sich auch Cha 0s Geschichte am Ende als weitaus verwickelter.
Lässt man den Sonderfall Cha 0 einmal beiseite, trugen die erfolgreichsten Diebe auf DarkMarket nicht dazu bei, die Site zu verwalten. Es waren Männer wie Freddybb und Recka, die Carder aus Scunthorpe und Schweden: Sie schauten nur gelegentlich vorbei, wickelten Geschäfte ab und verschwanden dann tage-, wochen- oder sogar monatelang. Die Polizeibehörden der ganzen Welt haben von den Technikfreaks einen wesentlich größeren Anteil festgenommen als von den hartgesottenen Kriminellen mit ihren Cybertaten.
Die vier leitenden Administratoren, die an ihren PC s schufteten, waren gemeinsam für vier Hauptaufgaben zuständig. Der Schutz und die allgemeine Instandhaltung der Website-Server fielen in das Aufgabengebiet von Master Splyntr und Matrix 001 . Die alltäglichen Gefahren für die Site gingen nicht von den Behörden aus, sondern von Konkurrenten und Feinden von DarkMarket, die sich wie Iceman anderswo im kriminellen Cyberspace herumtrieben. Splyntr, Matrix und JiLsi seufzten jedes Mal, wenn es eine Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern gab: Ein Carder warf einem anderen – vielleicht grundlos, vielleicht auch zu Recht – eine Regelübertretung vor. Der Angeschuldigte reagierte beleidigt, und wenig später hatte die angegriffene Partei sich ein Botnet organisiert, um einen DDoS-Angriff auszulösen. Zehntausende von Computern verlangten auf Befehl eines einzigen Command-and-Control-Rechners plötzlich Zugang zu DarkMarket, woraufhin die Site in die Knie ging. Wäre so etwas in der handfesten Welt geschehen, so murmelte Splyntr zu sich selbst, würde man den Idioten einfach zusammenschlagen. Im Cyberspace dagegen hat man kaum eine andere Wahl, als die Site abzuschalten und zu warten, bis der Angreifer sich beruhigt hat, oder man handelt irgendein Abkommen aus.
Aus diesen Gründen mussten die Administratoren alle Konflikte überwachen, die sich zwischen den Mitgliedern zusammenbrauten, und dann mussten sie sich bemühen, den Streit zu entschärfen, bevor er eskalierte. Der durchschnittliche Cyberkriminelle hat die Manieren eines Schimpansen und die Zunge einer sizilianischen Fischverkäuferin. Anonymität führt überall im Internet zu einem Mangel an Vertrauen, und die Welt der Kriminalität ist dafür wegen der potenziellen Gefahr durch die Polizei und der vermeintlichen, durch die Anonymität des Nutzers begründete Unverletzlichkeit besonders anfällig. Deshalb eskalieren Beleidigungen in Foren wie DarkMarket sehr schnell zu einem
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