CyberCrime
Auffälliges. Es funktionierte genau wie die Diskussionsforen, in denen die Gefahren des Elterndaseins oder der Reiz der Bienenzucht erörtert werden. Der Zugang war schwieriger, weil die Mitglieder benannt und überprüft werden mussten, aber das war für diejenigen, die sich in der Carding-Szene auskannten und zur Mitgliedschaft entschlossen waren, nur selten ein Problem. Die eigentlichen Geschäfte – Kauf und Verkauf – wurden aus Sicherheitsgründen kaum einmal über das Forum abgewickelt. Es war vielmehr ein Ort, an dem Verkäufer und Käufer sich kennenlernten; hier fanden die Hersteller von Skimming-Apparaten ihren Markt, und die Besitzer von Kreditkarten-Datenbanken konnten Mitarbeiter für die eigentliche Bargeldbeschaffung rekrutieren (das heißt für die entscheidende Tätigkeit, von einem Geldautomaten zum anderen zu gehen und Bargeld von Konten abzuheben). Die Details der einzelnen Geschäfte wurden jedoch fast immer in privaten Nachrichten über verschlüsselte ICQ -Netze festgeklopft. Erst wenn ein Geschäft abgesprochen war, begab man sich wieder auf die Website und reichte einen Antrag auf den Treuhandservice ein, mit dem die Administratoren für eine faire Abwicklung sorgten.
Das Forum lockte immer mehr Mitglieder an, und die Geschäfte blühten. Einflussreiche Personen stellten die Verbindung zwischen russischen Verbrechern und westlichen Cardern her, gleichzeitig stellte JiLsi aber auch fest, dass der geographische Kreis sich erweiterte. Die Türkei wurde zu einer wichtigen Zone der Cyberkriminalität. Die Gemeinden in Spanien und Deutschland wuchsen sehr schnell, und selbst in Frankreich – wo die Carder sich wie die meisten Franzosen auch im Web in einem Französisch sprechenden Umfeld am wohlsten fühlen – polierten sie ihr Englisch auf, um an den Debatten teilzunehmen.
Das goldene Zeitalter von DarkMarket war angebrochen.
17 Das Büro
Das Büro von Renu Subramaniam war ein Terminal im Java Bean Internet Café. Während der letzten eineinhalb Jahre hatte Renu im Internet meist vor einer Kulisse mahlender und kreischender Geräusche gearbeitet: Das bescheidene Java Bean lag im Schatten des Wembley-Stadions, und die Fußballarena wurde gerade im großen Maßstab umgebaut. Mitte 2006 hatten die Arbeiten sowohl die Termine als auch den Kostenrahmen bereits überschritten.
Das Café glich in vielerlei Hinsicht Tausenden weiteren, die sich über die ganze Welt verteilen. Das Umfeld war alles andere als luxuriös. Eingequetscht zwischen der Bowling Nail Bar und einer recht schäbig aussehenden, gemieteten Wirtschaftsprüferpraxis, beherbergte es sperrige Bildschirme und klebrige Tastaturen, und die angeschlossenen, unzuverlässigen Computer trugen Pseudo-Markennamen, die sie als Billigprodukte aus Ostasien kennzeichneten. Nur der Himmel weiß, welche Aktivitäten sich hinter den klapprigen Holzwänden abspielten, die einen schmuddeligen Rechner vom anderen trennten.
Über die Bildschirme gebeugt, spielten Jugendliche stundenlang und oftmals mit beispielloser Konzentration Online-Spiele; Rucksacktouristen schrieben unterhaltsame E-Mails, in denen sie ihre Eindrücke aus neu entdeckten Ländern schilderten; neugierige Teenager und frustrierte Männer im mittleren Alter besuchten seltsame Pornoseiten; idealistische junge Leute planten politischen Protest und bildeten sich ein, sie hätten mit ihrem Ausflug in die Welt der Anonymität den Big Brother hinters Licht geführt; Drogendealer verabredeten sich an Übergabepunkten und planten Geldwäsche; und Cyberkriminelle loggten sich ein, um den Wert ihres neuesten Fischzuges zu ermitteln.
Neben seiner Lage im Schatten des unfertigen Wembley-Stadions hatte das Java Bean noch eine zweite Besonderheit. Gewöhnlich sind die Computer in Internetcafés nur in begrenztem Umfang vor Angriffen von außen geschützt. An solchen Orten wimmelt es von Viren, Trojanern und anderen digitalen Schädlingen – ganz ähnlich wie biologische Erreger etwa Krankenhäuser befallen, in denen man es mit der Hygiene nicht genau genug nimmt.
Renu nahm seine eigene Sicherheit jedoch ernst und überredete den Geschäftsführer des Java Bean, auf den Rechnern des Cafés ein besonderes Programm namens Deep Freeze zu installieren. Diese Software stellte auf den Festplatten immer wieder eine frühere Konfiguration her, und damit war gewährleistet, dass das Netzwerk alles, was im Laufe des Tages vielleicht heruntergeladen worden war, nicht mehr »sah«. Damit war das
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