CyberCrime
wurden, das größte Problem. Aber auch Unternehmen wurden jetzt zum Opfer von Industriespionage, weil ihre Geschäftsgeheimnisse in einigen Fällen von denselben Hackern, die auch am Kreditkartenbetrug beteiligt waren, gestohlen und an Konkurrenten verkauft wurden. Cisco Systems hat zugelassen, dass ein chinesischer Konkurrent die Pläne für einen ihrer am höchsten entwickelten Server stehlen und kopieren konnte – nicht einmal Konzerne, die sich angeblich mit Computern auskannten, waren also dagegen gefeit.
Die chaotischen Vorgehensweisen bei der Netzwerksicherheit der Regierungsbehörden wie auch der Privatindustrie bereiteten dem Weißen Haus, dem Kongress und dem Pentagon zunehmend Sorgen. Die meisten Behörden und Ministerien waren sich entweder nicht bewusst, dass sie angreifbar waren, oder sie wurden von der Anzahl der gegen sie gerichteten Angriffe derart überrollt, dass sie die Köpfe in den Sand steckten und einfach hofften, das Problem werde von selbst verschwinden.
Im Pentagon hatte man diese Möglichkeit natürlich nicht. Dort war man völlig damit überfordert, die Schäden in Grenzen zu halten, die Titan Rain angerichtet hatte, eine Reihe hartnäckiger Angriffe auf die Computersysteme des Ministeriums, die von China ausgingen und alle als geheim eingestuften Informationen aufdecken sollten, wenn diese in ungeschützten Dateien enthalten waren.
Die großen Banken litten immer noch unter der sogenannten pvv(pin verification value)-Gefährdung, die bei der Citibank und der Bank of America während der Shadowcrew-Phase einen Schaden von Zigmillionen Dollar an gestohlenem Bargeld verursacht hatte. Dieses Problem hatten sie zwar mittlerweile gelöst, aber Hunderte von anderen Banken spuckten mithilfe ihrer Geldautomaten nach wie vor Bargeld an die Carder aus.
Kurz gesagt, es herrschte Chaos.
Sich die Folgen auszumalen war nicht schwer. Über kurz oder lang würde man große Beträge an Steuergeld in die miteinander zusammenhängenden Probleme von Cyberkriminalität, Cyber-Industriespionage und Cyber-Kriegführung stecken müssen. Und jede Ordnungsbehörde, die etwas auf sich hielt, wollte einen Teil vom Kuchen abbekommen. Aus Sicht des FBI bestand die Gefahr, dass der Secret Service drei Viertel des großen Etatkuchens verschlingen würde. Dort saßen die Pioniere unter den Cyberpolizisten, und die sonnten sich immer noch im Ruhm der Shadowcrew-Schließung. Deshalb war der Secret Service natürlich erpicht darauf, sich die Führungsrolle in dem wachsenden neuen Fachgebiet zu sichern.
Beim FBI , der größten und mächtigsten Polizeibehörde der Vereinigten Staaten, hatte man andere Vorstellungen. Sein Direktor Robert Mueller wollte nicht nur wegen der Finanzmittel bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität mitmischen, sondern auch weil es ein entscheidender Bestandteil seiner Bemühungen werden konnte, das FBI stärker von einer Polizeibehörde in einen Inlandsgeheimdienst zu verwandeln. Mularskis Pläne umfassten nicht nur die Festnahme von Verbrechern, sondern es ging auch um das Sammeln von Informationen. Dieser Richtungswechsel auf der obersten Führungsebene trug dazu bei, dass die Einwände einiger leitender Beamter ohne Wirkung blieben, und Mularski, der seinen Antrag auf Genehmigung der kühnen verdeckten Operation mit einer atemraubenden Präsentation begründet hatte, bekam grünes Licht. Als Iceman ihm auf die Schliche kam, stand also nicht nur die Operation DarkMarket kurz vor dem Scheitern. Wenn sie den Bach hinuntergingen, gingen die zukünftigen Steuerdollars und die Fähigkeit des FBI , Operationen im Cyberspace durchzuführen, mit. Auf Mularskis Schultern lag eine schwere Last.
Seine erste Reaktion war Verzweiflung. Er glaubte, das Spiel sei aus, und seine Mitarbeiter würden nach viel harter Arbeit eine erniedrigende Erklärung für die Vorgesetzten liefern müssen, von denen manche hinter vorgehaltener Hand murmelten: »Das haben wir euch doch gleich gesagt!« Aber das FBI hatte Mularski von Anfang an unter anderem deshalb für sein Agenten-Ausbildungsprogramm ausgewählt, weil er auch dann klar denken konnte, wenn es schwierig wurde. So dauerte es nur wenige Minuten, dann hatte er den Entschluss gefasst, nicht kampflos aufzugeben.
Das Schicksal von Mularskis Familie war eng mit der Geschichte Pittsburghs im 20. Jahrhundert verknüpft. Sein Ururgroßvater hatte 1892 die Seereise von Hamburg gemacht und war mit nur einem Dollar in der Tasche in Baltimore angekommen. Keith
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