CyberCrime
mochte durch und durch Amerikaner sein, aber viele europäische Gemeinschaften in der Stadt waren nach wie vor stark durch ethnische Identitäten geprägt – in Mularskis Fall durch die polnische.
Verstreut zwischen den bescheidenen Holzhäusern, Art-déco-Kinos und Tanzlokalen der heute so pittoresken South Side von Pittsburgh liegen die Kirchen und Gemeindezentren der vielen slawischen Gemeinden: der Tschechen, Polen, Serben, Slowaken, Ukrainer und anderer. Sie alle fühlten sich von dieser Stadt im Westen Pennsylvanias mit ihrer strategisch günstigen Lage angezogen. Andrij und Julia Warhola, ein ruthenisch-ukrainisches Paar aus dem Nordosten der Slowakei, wanderten Anfang des 20. Jahrhunderts nach Pittsburgh aus, und nachdem sie das »a« am Ende des Nachnamens weggelassen hatten, brachten sie eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Kunst des 20. Jahrhunderts zur Welt.
An Pittsburghs entscheidenden Beitrag zur weltweiten wirtschaftlichen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert erinnern noch heute gewaltige Stahlbrücken und Inschriften der Norfolk and Western Railway. Aus dem Stahl dieser Fabriken schmiedete man Kriegsschiffe, Flugzeuge, Autos und Industrieanlagen, die auf der ganzen Welt verbreitet waren. Mittlerweile sind Jahrzehnte vergangen, seit die schwarzen Wolken aus den Mäulern der Stahl produzierenden Hydra die Stadt zuletzt in Dunkelheit tauchten und giftige Partikel verteilten, die einst für die größte Häufigkeit von Lungenerkrankungen in den gesamten Vereinigten Staaten sorgten.
Heute hängt kein Smog mehr über der Stadt, und Pittsburgh gilt als einer der begehrtesten Wohnorte in ganz Nordamerika. Die Sonne scheint hell, und nach 15 Jahren der Armut und des Niedergangs erfand die Stadt sich in den 1990er Jahren als Zentrum der Hightech-Industrie an der Ostküste neu.
Mularski war einer von denen, die in den 1980er Jahren, nachdem er an der Duquesne University das Examen in Geschichte gemacht hatte, aus der Stadt geflüchtet war. Damals war nichts mehr übrig. Sein Vater hätte ein Doppelgänger von Willy Loman * sein können. Mularski senior gehörte zu den ersten, die den Abschwung der Riesenstadt zu spüren bekamen: Er wurde in den 1970er Jahren als Verkäufer entlassen und fand danach keine andere Stellung mehr. Seine Familie lebte mehr schlecht als recht von dem, was Keith’ Mutter als Vorstandsassistentin verdiente.
* Willy Loman ist die Hauptfigur in dem Schauspiel Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller (Anm. d. Übers.).
Zu Keith’ Lebzeiten war die Bevölkerung von Pittsburgh um ein Drittel geschrumpft. Der junge Mann hatte nicht die Absicht, dem Verfall weiter zuzusehen, und zog mit seiner frisch angetrauten Ehefrau nach Washington. Er fand Arbeit bei einem großen, landesweit tätigen Möbelhaus und bewies sowohl im Management als auch im Verkauf echte Fähigkeiten. Die Tätigkeit eines Verkaufsleiters scheint auf den ersten Blick kaum etwas mit Cyberkriminalität zu tun zu haben, aber die Methoden, die er bei dem Unternehmen lernte, bildeten später eine solide Grundlage für seine Arbeit als Cyberpolizist beim FBI .
Kernstück der Cyberkriminalität ist das »social engineering«, die Kunst, andere von etwas zu überzeugen, das objektiv nicht in ihrem Interesse ist. Wie, so überlegt der Bösewicht, kann ich meine Zielperson davon überzeugen, dass sie mir ihr Passwort offenbart? Dass sie eine E-Mail mit einem im Anhang verborgenen Trojaner öffnet? Dass sie überhaupt ihren Computer einschaltet?
Einem Cyberdieb stehen mehrere naheliegende Methoden offen. Die beiden bewährtesten sind kostenlose Musik-Downloads und Pornografie. Der Sexualtrieb ist einer der stärksten Triebe überhaupt; das muss auch so sein, denn in der Evolution hat sich die Partnersuche häufig als gefährliche Angelegenheit erwiesen. Wir nehmen große Risiken auf uns, um unsere sexuellen Wünsche zu befriedigen, und das begriffen die Hersteller von Computerviren sehr schnell. Oft reicht schon das Versprechen, einen Busen zu sehen, damit ein argloser Nutzer einen Hyperlink anklickt, mit dem eine zerstörerische Schadsoftware auf seinen Computer heruntergeladen wird. Wer Glück hat, wird dann tatsächlich zu dem Bild weitergeleitet, aber das ist nur eine klägliche Gegenleistung dafür, dass man alle Geheimnisse des eigenen Desktops einem weit entfernten, gesichtslosen Kontrolleur zugänglich macht. Nicht zufällig verbreitete sich einer der erfolgreichsten Viren
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