CyberCrime
aller Zeiten durch E-Mails mit der Betreffzeile »I Love You«.
Verkaufsleiter verbreiten zwar in der Regel keine Viren, sie sind aber wie Cyberdiebe versiert darin, Menschen zu manipulieren. Sie haben die Aufgabe, potenzielle Kunden zu Investitionen in unnötige oder unerwünschte Gegenstände zu veranlassen. »Etwas, das man hat, an jemanden zu verkaufen, der es haben will, ist kein Geschäft«, sagte der Gangsterkönig Meyer Lansky einmal. »Aber etwas, das man nicht hat, an jemanden zu verkaufen, der es nicht haben will – das nenne ich Geschäft.« Zumindest können Verkäufer die Kunden oftmals dazu bringen, dass sie teurere Gegenstände kaufen. Als der frischgebackene Agent Keith Mularski in die gerade gegründete Cyber Division des FBI aufgenommen wurde, brachte er also einen wertvollen Aktivposten mit: die Fähigkeit, zu beschwatzen, zu scherzen, Mitgefühl zu zeigen, zu mahnen, zu verführen und Anreize zu schaffen. Für einen Polizisten gab er einen höchst überzeugenden Verbrecher ab.
Während der 1990er Jahre hatte Pittsburgh sich gewandelt. Die Stadt hatte immer von großen mildtätigen Zuwendungen profitiert. Überall findet man die Spuren von Carnegie, Heinz und Mellon, den großen Gestalten des amerikanischen Industriezeitalters vor und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dass die Stadt sich nach dem Zusammenbruch des produzierenden Gewerbes neu erfinden konnte, lag unter anderem an ihren Investitionen in die Abteilung für Informatik und Computertechnik der Carnegie Mellon University ( CMU ), die zu den zwanzig besten Hochschulen der Welt gerechnet wird.
Die Universität wurde von dem überragenden, in Schottland geborenen Industriellen Andrew Carnegie gegründet. Sie war anfangs eine technische Hochschule und fusionierte 1967 mit dem Mellon Institute of Industrial Research. In der düsteren Zeit der 1980er und frühen 1990er Jahre untersuchte die CMU den Niedergang von Pittsburgh und Möglichkeiten zur Wiederbelebung. Außerdem war die Universität bekannt für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Computersicherheit. Neben dem Massachusetts Institute of Technology und dem Silicon Valley entwickelte sich in Pittsburgh eine der wenigen Bastionen für Technikfreaks in den Vereinigten Staaten, und ein besonderes Schwergewicht lag dabei auf Sicherheitsthemen.
Die an der CMU vorhandenen Fachkenntnisse sind eine Erklärung für viele Aspekte des neuen Pittsburgh, so auch für die Entstehung der National Cyber Forensics Training Alliance im Jahr 1997. Die gemeinnützige Organisation wird unter anderem von Banken und verschiedenen Großunternehmen finanziert; sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Fachleute aus Wissenschaft, Privatwirtschaft, Polizei und Geheimdienst an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam etwas gegen die wachsende Unsicherheit im Netz zu unternehmen. Das war der Grund, warum Keith Mularski kurz nach der Jahrtausendwende zurückkehrte und hinter der Glasfront des unauffälligen Bürogebäudes mit der Adresse 2000 Technology Drive an die Arbeit ging.
Als er im vierten Stock aus dem Fenster blickte, war ihm bewusst, dass er nahezu allein die Verantwortung für diese gesamte FBI -Operation trug. Er arbeitete zwar mit einem großartigen Team zusammen, aber er war es gewesen, der die Vorgesetzten trotz tiefer Skepsis überzeugt hatte, so dass sie ihm grünes Licht gaben. Hier standen nicht nur der Ruf des FBI und die damit verbundenen finanziellen Erwägungen auf dem Spiel, sondern auch sein Arbeitsplatz.
Dann erinnerte er sich an das, was er gut konnte: verkaufen. Oder besser gesagt: Menschen beeinflussen.
Als in den kriminellen Diskussionsforen die Nachricht verbreitet wurde, DarkMarket gehöre dem FBI , beruhigte er sich und dachte daran, dass mit Selbstmitleid niemandem geholfen war. Er musste sofort einen Gegenangriff starten. Dazu wandte er sich an Grendel, das vielleicht geheimnisvollste Mitglied von DarkMarket. Im realen Leben arbeitete Grendel in Deutschland bei einem ganz und gar legalen, hoch qualifizierten Sicherheitsunternehmen, er bot seine Dienste aber gegen Bezahlung auch Cyberkriminellen an. DarkMarket war auf sein Virtual Private Network angewiesen, das nahezu völlige Anonymität gewährleistete – aber darüber hinaus hatte Grendel auch noch vier »Shells« gebaut, Software, mit der sich die Nutzer sehr wirksam unsichtbar machen können.
Grendel konnte auch die früheren, verifizierbaren Logins der Shells rekonstruieren, und dort tauchte nirgendwo der Name
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