Cyberspace
einem Tankzug frischen Meerwassers aufgefüllt wird. Und er kriegt seinen Stoff, wenn er ihn braucht. Er redet nach wie vor über seine Lichter mit den Kindern, mit mir aber redet er über ein neues Display in einer Kabine, die ich angemietet habe, ein beßres Gerät als seine einstige Navy-Ausstattung.
Und wir verdienen alle gut dabei. Ich hab nie bessres Geld verdient, denn die Squids von Jones spüren alles auf, das je in mir abgespeichert worden ist, und er wirft das auf dem Display in einer mir verständlichen Sprache aus. So lernen wir 'ne Menge über meine früheren Kunden. Und
eines Tages laß ich mir von einem Chirurgen das ganze Silikon aus meinen Mandeln schürfen, damit ich, frei vom Gedächtnis andrer Leute, wieder mit den eigenen Erinnerungen lebe wie jeder andere auch. Aber das dauert noch 'ne Weile.
Bis dahin kann ich's echt aushaken hier oben, hoch oben im Dunkeln, wo ich meine chinesischen Filterzigaretten rauche und dem Kondenswasser lausche, das von den geodätischen Kuppeln
tröpfelt. Es ist echt ruhig hier oben - wenn nicht gerade ein Lo Tek-Paar auf dem Killerparkett zu tanzen geruht.
Es ist lehrreich obendrein. Mit Hilfe von Jones, der mir einiges auseinanderklamüsert, werde ich zum technischsten Knaben in der Stadt.
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Zum Glück verblaßt die Sache allmählich, nimmt episodenhafte Züge an. Sollte ich dennoch
seltsame Dinge sehen, so nur am Rande; bloße Fragmente irrenärztlicher Chromotypien, auf den Augenwinkel begrenzt. Da war letzte Woche dieses fliegende Flügelding über San Francisco, aber das war beinahe durchsichtig. Und die Haifischflossen-Roadster wurden seltener, und
Autobahnen verzichteten diskreterweise darauf, sich in die leuchtenden achtzig-spurigen Monster aufzu-fächern, die ich im letzten Monat unfreiwillig in meinem Miet-Toyota befahren mußte.
Und ich weiß, daß nichts davon mich nach New York verfolgen wird; mein Blickfeld reduziert sich auf eine einzige Wellenlänge der Wahrscheinlichkeit. Daran habe ich hart gearbeitet.
Fernsehen hat sehr geholfen.
Ich glaube, es fing an in London, in jener kitschig imitierten griechischen Taverne an der Battersea Park Road bei einem Lunch auf Geschäftskosten von Cohen. Totgekochte, aufgewärmte Dampfkost; und es dauerte eine halbe Stunde, bis sie einen Eiskübel für den Retsina auf trieben. Cohen arbeitet bei Barris-Watford, wo große, schicke Paperbacks über Gebrau-chskunst erscheinen: die illustrierte Geschichte der Leucht-reklame, des Flipper-Automaten, des
Aufziehspielzeugs aus dem besetzten Japan. Ich war rübergekommen, um Aufnahmen für eine
Schuh-Werbung zu schießen; kalifornische Girls mit braunen Beinen und fetzigen Jogging—
Schuhen hatten für mich in den Aufzügen von St. John's Wood und auf den Steigen von Tooting Bec posiert. Ein schmächtiger und hungriger junger Agentur-Vertreter hatte beschlossen, das Mysterium von London Transport werde gewaffelte Nylonturnschuhe verkaufen. Sie
beschließen; ich schieße die Bilder. Und Cohen, den ich flüchtig von früher her aus New York kannte, lud mich am Vortag meines Abflugs von Heathrow zum Lunch ein. Er brachte eine sehr modische junge Dame mit, namens Dialta Downes, die buchstäblich kinnlos und offenbar eine Kennerin der Popart-Geschichte war. Im nachhinein sehe ich sie noch hereinspazieren neben Cohen; eine Leuchtschrift schwebt über ihr, die in riesigen Druckbuchstaben blinkend THIS
WAY LIES MADNESS verkündet.
Cohen machte uns bekannt und erklärte, daß Dialta federführend am neuesten Barris-Watford-Projekt arbeite, einer illustrierten Geschichte der »Stromlinienförmigen amerikanischen
Moderne«, wie sie's nannte. Cohen sprach von »Laser-Gothic«. Ihr Arbeitstitel war 'LH
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Die Briten sind besessen von den eher barocken Elementen der amerikanischen Popkultur,
vergleichbar mit dem irren Cowboy-und-Indianer-Fetischismus der Westdeutschen oder dem
französischen Spleen für alte Jerry Lewis-Filme. In Dialta Downes manifestierte sich das als Manie für eine ausschließlich amerikanische Architekturform, die den meisten Amerikanern gar nicht auffällt. Zunächst war ich mir nicht ganz sicher, was sie überhaupt meinte, aber allmählich dämmerte es mir. Ich ertappte mich dabei, mich ans Sonntagmorgenprogramm des Fernsehens in den Fünfzigern zu erinnern.
Manchmal
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