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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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bestimmten Art abzeichnen. Während ich wartete, versetzte ich mich in Dialte Downes' Amerika zurück. Als ich einige der Fabrikgebäude auf der Mattscheibe der Hasselblad isoliert hatte, strahlten sie eine finstre, totalitäre Erhabenheit aus wie die von Albert Speer für Hitler gebauten Stadien. Aber der Rest erwies sich als unerhört ordinär: Eintagsfliegen, die das kollektive amerikanische Unterbewußtsein der Dreißiger ausgestoßen hatte und die vornehmlich entlang schäbiger, von staubigen Hotels, Großmarkthallen und kleinen Gebrauchtwagenhändlern
    gesäumten Straßenzüge erhalten blieben. Besonders aufwendig stieg ich in die Tankstellen ein.
    Die Downes-Ära hatte ihren Höhepunkt erreicht, als sie Ming dem Gnadenlosen die Gestaltung der kalifornischen Tankstellen überließen. Von seiner ererbten Architektur überzeugt, fuhr er die Küste auf und ab und errichtete utopisch anmutende Geschützstellungen in weißem Stuck. Viele warteten mit einem völlig überflüssigen Turm auf, der seltsam gerippt war, was zu einem
    Merkmal dieses Baustils wurde und den Eindruck erweckte, damit ließen sich heftigste
    technische Begeisterungsstürme erzeugen, wenn man nur den Einschaltknopf fände. Ich
    fotografierte so'n Ding in San Jose - eine Stunde vor dem Eintreffen der Planierraupen, die die Fassade aus Gips und Lattenwerk und billigem Beton niederwalzten.
    »Man hat es sich wie ein alternatives Amerika vorzustellen«, hatte Dialta Downes gesagt. »Ein 1980, das es nie gab. Eine Architektur aus zerbröckelten Träumen.«
    Und das war meine Einstellung, als ich in meinem roten Toyota die Stationen ihres verwickelten sozialarchitektonischen Kreuzwegs abfuhr - als ich mich langsam einstimmte auf ihre
    Vorstellung von einem trüben nichtexistenten Amerika, von Coca-Cola-Fabriken, die wie
    gestrandete U-Boote aussahen, und von Kinos gleich Tempeln einer untergegangenen Sekte, die blaue Spiegel und geometrische Formen anbetete. Und als ich diese heimlichen Ruinen abfuhr, fragte ich mich, was die Bewohner dieser abhandengekommenen Zukunft von der Welt, in der
    ich lebte, halten würden. Die dreißiger Jahre träumten von weißem Marmor und
    hochglanzpoliertem Chrom, von unvergäng-lichem Kristallglas und patinierter Bronze, aber die Raketen auf den Titelseiten der Gernsbackschen Pulps waren in tiefster Nacht heulend auf
    London gefallen. Nach dem Krieg hatte jeder ein Auto - ohne Flügel dran - und die versprochene Superautobahn zur flotten Fahrt, so daß der Himmel selbst sich verfinsterte und die Auspuffgase den Marmor zerfraßen und das Wunderglas rußig schwärzten ...
    Und als ich eines Tages nun am Rand von Bolinas die Aufnahme eines besonders üppigen
    Beispiels von Mings militärischer Architektur vorbereitete, durchstieß ich eine feine Membran, eine Wahrscheinlichkeitsmembran ...
    Unheimlich sachte ging's mit mir über den 5DQG
    Und ich blickte auf und sah ein zwölfmotoriges Gebilde, das einem aufgeblähten Bumerang glich und nur aus Flügel bestand. Mit elefantenhafter Anmut flog es so tief ostwärts, daß ich die Nieten in der matten, silbernen Hülle sehen und eine Art jazziges Echo hören konnte.
    Ich konfrontierte Kihn damit.
    Merv Kihn, freier Journalist mit ausgeprägtem Interesse an texanischen Flugsauriern, bäuerlichen UFO-Sichtern, zweit-klassigen Loch Ness-Monstern und den zehn populärsten
    Verschwörungstheorien in den eher sehr bekloppten Winkeln des amerikanischen Massenhirns.
    »Es ist gut«, sagte Kihn, der seine gelbe Polaroid-Brille mit dem Saum seines Hawaihemds
    putzte, »aber nichts Psychomäßiges; es fehlt der Pep.«
    »Aber ich hab's gesehn, Mervin.« Wir saßen in der strahlenden Sonne Arizonas am Pool. Er war in Tucson und wartete auf eine Gruppe pensionierter Beamter aus Las Vegas, deren Führerin auf ihrem Mikrowellenherd Botschaften von Drüben erhielt. Ich war die ganze Nacht durchgefahren und fühlte mich entsprechend.
    »Natürlich. Natürlich hast du's gesehn. Du hast meine Sachen gelesen; hast du denn meine
    allgemeine Erklärung zum UFO-Problem nicht kapiert? Es ist simpel, schlicht und einfach so, daß die Leute« - er plazierte die Brille sorgfältig auf der langen Hakennase und fixierte mich mit seinem besten Basiliskenblick - »derlei VHKHQ Sie sehen dergleichen. Es ist nichts da, aber die Leute VHKHQ es trotzdem. Wohl aus einem Zwang heraus. Du hast Jung gelesen, du solltest
    wissen, was Sache ist. In deinem Fall ist es so offensichtlich: Du sagst selber, du hast über

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