Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
neuester Stand der Technik.«
    »Dein Freund von vorhin stammt größtenteils aus einem Labor in Chiba City. Ist'n Yakuza—
    Killer.«
    »Chiba. Tja. Schau, Molly war auch in Chiba.« Und sie zeigte mir ihre Hände mit den leicht gespreizten Fingern. Ihre Finger waren schlank, verjüngten sich und wirkten sehr blaß durch die burgunderrot lackierten Nägel. Zehn Klingen schoben sich aus der Versenkung unter den Nägeln, schmale, zwei-schneidige Skalpellklingen aus hellblauem Stahl.
    Ich hatte mich nie lange in Nighttown aufgehalten. Keiner dort hatte was, um mich fürs Erinnern zu bezahlen, und die meisten hatten viel, wofür sie regelmäßig fürs Vergessen zahlten.
    Generationen von Scharfschützen hatten aufs Neon geballert, bis die Wartungsmannschaften
    aufgaben. Selbst am Mittag war es in den Wölbungen stockfinster.
    Wohin geht man, wenn die reichste Verbrechersippe der Welt mit ruhigen Fingern aus der Ferne nach einem greift? Wo versteckt man sich vor dem Yakuza, der so mächtig ist, daß er eigene Kommsatelliten und wenigstens drei Raumfähren besitzt? Der Yakuza ist multinational wie ITT
    oder Ono-Sendai. Schon fünfzig Jahre vor meiner Geburt hatte sich der Yakuza die Triaden, die Mafia und die Korsische Union angeeignet.
    Molly hatte eine Antwort: Man versteckt sich im Loch, im untersten Kreis, wo jeder äußere Einfluß schnell bedrohliche konzentrische Wellen schlägt. Man versteckt sich in Nighttown.
    Noch besser EHU Nighttown, denn das Loch ist umgestülpt, und der Grubenboden berührt den Himmel, den Himmel, den die unterm eigenen Acrylharzfirmament schwitzende Nighttown nie
    sieht; man versteckt sich droben, wo im Dunkeln untierhaft die Lo Teks kauern, denen die
    Schwarzmarktzigarette von den Lippen baumelt. Sie hatte noch eine Antwort parat.
    »Du bist also niet-und nagelfest, Johnny? Keine Chance, ohne Losung ans Programm
    ranzukommen?« Sie führte mich in den Schatten, der hinter dem hellen U-Bahnsteig lauerte. Die Betonwände waren mit ganzen Schichten von Graffiti bedeckt, die sich mit den Jahren zu einem einzigen Gekritzel wallender Wut und Ohnmacht verquirlten.
    »Die abgespeicherten Daten werden durch eine modifizierte Serie mikrochirurgischer
    kontraautistisch er Prothesen eingespeist.« Ich leierte eine saftlose Version meines
    Standardverkaufsgesprächs herunter. »Der Code des Klienten ist in einem eigenen Chip
    gespeichert; von Squids abgesehen, worüber wir in unsrer Branche nicht gern reden, gibt es keine Möglichkeit, an den Inhalt heranzukommen. Kriegt's nicht mit Drogen, nicht mit dem Messer, nicht mit Folter heraus. Ich ZHL‰ es nicht, hab's nie gewußt.«
    »Squids?« Wir kamen auf einen menschenleeren Markt. Düstere Gestalten musterten uns von der ändern Seite des provisorischen Platzes, der mit Fischköpfen und faulem Obst übersät war.
    »Supraleitende Quantum-Interferenz-Detektoren. Wurden im Krieg benutzt, um U-Boote zu orten und kybernetische Systeme des Feindes auszutricksen.«
    »So? Marinezeugs? Vom Krieg? So'n Squid kann deinen Chip lesen?« Sie blieb stehen, und ich spürte, daß sie mich hinter den verspiegelten Gläsern fixierte.
    »Sogar die primitiven Modelle konnten ein Magnetfeld erfassen, das ein Milliardstel der
    geomagnetischen Feldstärke auf wies. Ist so, wie wenn man aus einem grölenden Stadion ein Flüstern herausholt.«
    »Die Bullen können das mit parabolischem Mikrofon und Laser.«
    »Aber trotzdem sind die Daten sicher.« Berufsehre. »Keine Regierung gibt ihren Bullen Squids, nicht mal den Spezialeinheiten. Zu großes Risiko für krumme Touren zwischen einzelnen
    Ministerien; sie spielen bald Watergate mit dir.«
    »Marinezeugs«, sagte sie, und ihr Grinsen leuchtete im Dunkeln. »Marinezeugs. Ich hab 'nen Freund hier unten, der war bei der Marine. Heißt Jones. Den solltest du treffen. Er ist allerdings ein Junkie. Also werden wir ihm was mitbringen müssen.«
    »Ein Junkie?«
    »Ein Delphin.«
    Er war mehr als ein Delphin, in den Augen eines anderen Delphins jedoch eher weniger. Ich beobachtete, wie er sich träge in seinem galvanisierten Becken bewegte. Wasser schwappte über, und ich bekam nasse Schuhe, Er war ein Überbleibsel des letzten Kriegs. Ein Cyborg.
    Er hob sich aus dem Wasser und zeigte uns die verkrusteten Platten an seinen Seiten, eine Art visuelles Wortspiel, da von seiner Anmut nicht viel übrigblieb angesichts der ausgeprägten Panzerung, die plump und altertümlich wirkte. Zwei Wülste an jeder Schädelseite

Weitere Kostenlose Bücher