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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. Baccalario
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Stunde später hatte sie einen Wärter aufgespürt, der die Tür öffnete und sagte: »Rufen Sie mich an, wenn Sie fertig sind.«
    Im Inneren herrschte absolute Stille, sie konnten sich völlig ungestört umsehen. Otto eilte durch die Säle, vorbei an allen möglichen wissenschaftlichen Apparaten und Messgeräten, an Sonnenuhren der Spätrenaissance und Originalinstrumenten von Galileo Galilei. Vor Saal sieben hielt er inne, fasziniert von der Armillarsphäre des Antonio Santucci, auf die ihn Medea aufmerksam gemacht hatte.
    Die astronomische Weltmaschine beherrschte den mit Landkarten tapezierten Raum. Ein Absperrungsseil sorgte dafür, dass Besucher sie nicht anfassen konnten. Die Armillarsphäre bestand aus zwei goldenen Halbkugeln, die auf der Höhe des Äquators aufeinandergesetzt waren, dazwischen befanden sich mehrere Reifen aus vergoldetem Buchenholz, die rund um das Zentrum des Apparates kreisten, den Planeten Erde. Die Konstruktion aus konzentrischen Kreisen ruhte auf einem Gestell mit vier Beinen, die Meerjungfrauen nachgebildet waren.
    Die Bewegung der Planeten … , überlegte Otto und ging näher, um das Wunderwerk zu bestaunen. Alle Komponenten waren von Hand bemalt, die konzentrischen Ringe, die Sternbilder und das Tragegestell.
    Otto kam es vor, als würde diese Renaissance-Weltmaschine zu ihm sprechen.
    Er setzte sich in eine Ecke des Raumes und nahm das Ikosaeder in die Hand, dessen Zahlen die Dimensionen des Sonnensystems wiedergaben. Doch erst als er der Armillarsphäre gegenüberstand, fiel ihm etwas elementar Wichtiges auf: Wenn die Konstellation der verschiedenen Planeten eine Bedeutung hatte, um das Rätsel des Ikosaeders zu lösen, dann musste er als Erstes bedenken, dass im Zentrum der Weltmaschine nicht die Sonne stand, wie es eigentlich richtig gewesen wäre, sondern die Erde.
    »Vielleicht …«, murmelte Otto vor sich hin, »muss ich in der gleichen Reihenfolge vorgehen.«
    Er sprang vom Stuhl auf und begann die Dreiecke des Polyeders so zu drehen, dass die Umlaufbahn und der Durchmesser der die Sonne umkreisenden Planeten in eine hierarchische Ordnung gebracht wurden. Nachdem er damit fertig war, drückte er als Erstes auf die beiden Dreiecksflächen, die der Erde entsprachen.
    Ein klick, klick war zu hören, und sie blieben eingedrückt.
    Otto schaute wieder auf die Armillarsphäre. Welcher war der erdnächste Himmelskörper? Der Mond. Dann der Merkur. 4878 Kilometer Durchmesser und 87,97 Tage Umlauf um die Sonne.
    Er drückte beide Flächen.
    Klick, klick.
    Die beiden Dreiecke verschwanden mit einem kaum hörbaren Geräusch im Inneren des Ikosaeders.
    Mit pochendem Herzen fuhr Otto fort, wie es das ptolemäische System der Armillarsphäre vorgab. Nach Merkur kam die Venus, dann die Sonne, der Mars, Jupiter und Saturn.
    Jedes Mal verschwanden die Dreiecksflächen im Inneren des Körpers. Das Ikosaeder verlor Seitenflächen und Kanten, veränderte seine Form und schien sich in einen anderen Körper zu verwandeln.
    Die Möglichkeiten von Santuccis Armillarssphäre waren erschöpft, vielleicht wusste man im 16. Jahrhundert noch nichts von der Existenz weiterer Planeten, aber Otto hörte nicht auf. Das Polyeder in seinen Händen schien ein Eigenleben zu entwickeln, wie ein pulsierender Würfel, auf dem die Schweißpunkte zu sehen waren, als wären es elektrische Kontakte.
    Uranus.
    Neptun.
    Schließlich hörte das Ikosaeder auf, sich zu verwandeln.
    Otto hob es hoch und hielt es sich direkt vor die Augen. »Mein Gott …«, flüsterte er.
    Das Polyeder mit den Zahlen der Planeten war … zu etwas anderem geworden.
    »Otto?«, rief seine Tante. »Otto, wo bist du?«
    Otto versteckte das auf wundersame Weise verwandelte Ikosaeder in seiner Hosentasche. Das durfte niemand sehen. Aber als er bemerkte, dass seine Tante alleine war, beruhigte er sich wieder. Er ging ihr entgegen, und als er an Santuccis Armillarsphäre vorbeikam, zuckte ein blauer Blitz aus seiner Hosentasche.
    Medea schrie entsetzt auf und Otto blieb stehen: Die Innenseite seiner Hosentasche war schwarz angesengt.
    »Was ist passiert?«
    »Keine Ahnung!« Otto steckte eine Hand in die Tasche.
    »Was war das für ein Blitz?«
    »Keine Ahnung!«
    Seine Hand umfasste den geometrischen Körper, der sich in einen Stern aus verkreuzten Dreiecken verwandelt hatte. Es war warm und pulsierte leicht.
    »Ich glaube, das war es«, sagte Otto und drehte den Stern in der Hand.
    Er hatte das Gefühl, als ob von diesem rätselhaften Körper

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