Cyclop
Mitternacht, und General Velikow stand steif neben seinem Schreibtisch, als die Tür des Aufzugs sich öffnete und der Genösse Maisky den Arbeitsraum betrat.
Velikow begrüßte ihn kühl. »Genösse Maisky, welch unerwartetes Vergnügen.«
»Genösse General.«
»Kann ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Dieses feuchte Wetter hier ist ein Fluch«, erwiderte Maisky und wischte sich mit der Hand über die schweißnassen Augenbrauen. »Ich könnte ein Glas eisgekühlten Wodka vertragen.«
Velikow griff nach dem Telefon und gab eine kurze Bestellung durch. Dann wies er auf den nächsten Stuhl. »Bitte, machen Sie es sich doch bequem.«
Maisky ließ sich schwer in einen weichen Ledersessel sinken und gähnte. Der Klimawechsel machte ihm zu schaffen. »Es tut mir leid, daß man Sie vor meinem Besuch nicht warnen konnte, General, aber Genösse Polevoj dachte, um das Risiko eines’ Mithörens der USA auszuschließen, besser gar nicht erst eine Funknachricht über meine Reise vorauszuschicken.«
Velikow hob die Augenbrauen und musterte Maisky nachdenklich. »Neue Instruktionen?«
»Ja, es geht um eine äußerst anspruchsvolle Operation.«
»Ich hoffe, der Chef des KGB befiehlt nicht, daß wir unser Castro-Projekt absagen müssen.«
»Ganz im Gegenteil. Ich bin sogar beauftragt, Ihnen zu sagen, daß die Schiffe mit der georderten Fracht einen halben Tag vor der geplanten Zeit im Hafen von Havanna eintreffen werden.«
Velikow nickte dankbar. »Wir können jedes bißchen zusätzlicher Zeit gut brauchen.«
»Gibt es irgendwelche Probleme?« erkundigte sich Maisky.
»Alles läuft ohne Schwierigkeiten.«
»Alles?« wiederholte Maisky. »Genösse Polevoj war nicht sehr glücklich über die Flucht eines Ihrer Gefangenen.«
»Es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Ein Fischer fand die Leiche des Entflohenen in seinen Netzen. Das Geheimnis dieser Anlage hier ist absolut sicher.«
»Und was ist mit den anderen? Sie werden wissen, daß das State Department inzwischen offiziell die Auslieferung bei den kubanischen Behörden beantragt hat.«
»Ein primitiver Bluff«, erwiderte Velikow.
»Der CIA hat nicht die geringste Ahnung, ob seine Kommandoeinheit noch lebt. Allein die Tatsache, daß man in Washington eine Forderung an die Kubaner gestellt hat und nicht an uns, zeigt deutlich, daß sie nur mit einem Stock im dunkeln herumstochern.«
»Die Frage ist, wonach sie stochern!« Maisky schwieg einen Augenblick und nahm ein Platin-Zigarettenetui aus seiner Brusttasche. Er zündete sich eine lange, filterlose Zigarette an und blies den Rauch zur hohen Decke hinauf. »Nichts darf
Rum and Cola
aufhalten.«
»Castro wird seine Rede wie angekündigt halten.«
»Können wir sicher sein, daß er sich nicht plötzlich dazu entschließt, sie abzusagen?«
»Wenn die Geschichte sich wiederholt, befinden wir uns auf festem Boden. El Jefe Maximo hat noch niemals die Gelegenheit, eine Rede zu halten, ausgelassen.«
»Sieht man von Unfällen, plötzlichen Erkrankungen oder Wirbelstürmen ab.«
»Manche Dinge befinden sich jenseits menschlicher Kontrolle, aber ich denke nicht daran, in diesem Fall ein Versagen zu erlauben.«
Ein uniformierter Posten erschien mit einer gekühlten Flasche Wodka und einem Glas. »Nur ein Glas, General? Halten Sie nicht mit?«
»Vielleicht später einen Brandy.«
Velikow wartete geduldig, bis Maisky ein Drittel der Flasche heruntergeschüttet hatte. Dann griff er an.
»Darf ich fragen, was der Stellvertreter des Leiters des Ersten Direktoriums mir über meine neuen Operationspläne mitzuteilen hat?«
»Natürlich«, verkündete Maisky gutgelaunt. »Sie haben Ihre gesamten elektronischen Möglichkeiten dafür zu nutzen, um das Space Shuttle der Vereinigten Staaten durch Funkbefehle zu einer Notlandung in Kuba zu zwingen.«
»Habe ich Sie richtig verstanden?« fragte Velikow verblüfft nach.
»Ihre Befehle, die Sie direkt vom Genossen Antonow erhalten, lauten, daß Sie in die Computer-Fernkontrolle des Landeanflugs der
Gettysburg
einbrechen und das Schiff durch Überlagerung der Codes so fernsteuern, daß es auf unserem Militärflughafen Santa Clara niedergeht statt in Cape Canaveral.«
Eine Weile starrte Velikow den KGB-Offizier mit gerunzelter Stirn an, als hätte er es mit einem Verrückten zu tun. »Wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf: Es handelt sich um den verrücktesten Plan, den das Direktorat jemals ersonnen hat.«
»Alles ist von unseren Raum-Wissenschaftlern genauestens
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