Cyclop
fallen, und sie eilten, so schnell sie konnten, durch das Dschungeldickicht, um bis zum Morgengrauen so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Verfolger zu legen.
Sie mochten an die fünf Meilen zurückgelegt haben, als sich im Osten das Schwarz des Himmels aufzuhellen und allmählich orange zu färben begann. Im ersten fahlen Morgenlicht war ein Zuckerrohrfeld erkennbar. An dessen Rand entlang gingen sie weiter, bis sie auf eine geteerte zweispurige Autostraße gelangten. Sie war völlig leer und verlassen, und weder nach der einen noch nach der anderen Richtung war auch nur ein Autoscheinwerfer zu sehen. Sie gingen am Rand der Straße weiter und duckten sich in die Böschung, als später dann doch das eine oder andere Auto oder ein Lastwagen vorbeikam. Pitt bemerkte, daß Jessies Schritte müder und ihr Atem schwerer wurden. Er blieb stehen, legte sein Taschentuch über die Lampe und leuchtete ihr ins Gesicht. Es war unverkennbar, sie war völlig erschöpft.
Er legte ihr den Arm um die Hüfte und zog sie mit sich weiter, bis sie an dem abschüssigen Einschnitt eines kleinen Flüßchens ankamen.
»Ruh dich aus, bis ich zurück bin.« Er ließ sich den Abhang hinuntergleiten. Unten war das ausgetrocknete Bett eines schmalen Wasserlaufes, der sich um einen kleinen Hügel herumwand, mit verstreuten Felsbrocken hier und dort. Der Wasserlauf zog sich, dort eingefaßt in ein großes Zement-Kanalisationsrohr, unter der Straße durch. Auf der anderen Seite führte er in eine eingezäunte Wiese.
Pitt kroch wieder hinauf zur Straße, nahm wortlos Jessies Hand und führte sie den Abhang hinunter bis zum Uferkies des trockenen Flußlaufs. Er leuchtete in das Kanalisationsrohr hinein.
»Das einzige freie Zimmer in der ganzen Stadt«, sagte er mit der aufgekratzten Stimme, die er unter diesen Umständen zustande brachte – was nicht viel war.
Es war in der Tat keine Penthouse-Suite. Aber in der trockenen Röhre lag immerhin eine weiche Sandschicht. Und hier waren sie sicherer, als sie es in der ganzen Gegend irgendwo hatten erwarten können. Jedes Suchkommando, das ihnen allenfalls bis zur Straße gefolgt wäre, mußte annehmen, daß die Flüchtigen dort aller Wahrscheinlichkeit nach wohl von einem wartenden Fahrzeug abgeholt worden seien.
Irgendwie gelang es ihnen, sich in der engen Dunkelheit der Röhre einigermaßen bequem hinzulegen. Pitt hielt das Gewehr und die Lampe in Reichweite und streckte sich aus.»Okay, Lady«, sagte er, und seine Worte hallten dumpf in der Röhre, »ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß du mir allmählich erzählst, warum, zum Teufel, wir überhaupt hier sind.«
Aber Jessie antwortete nicht.
Ungeachtet ihrer klammen, schlecht sitzenden Uniform und ihrer schmerzenden Füße und Gelenke lag sie eingerollt wie ein Baby da und schlief bereits wie bewußtlos.
61
»Tot? Alle tot?« sagte Kremlchef Antonow noch einmal aufgebracht. »Die gesamte Anlage ist zerstört, und es gibt nicht einen Überlebenden?«
Polevoj nickte schwer. »Der Kommandant des U-Bootes, der die Explosionen bemerkte, und der kommandierende Oberst der Sicherheitskräfte schickten ein Kommando an Land. Es meldete, keine Überlebenden gefunden zu haben. Sie entdeckten auch die Leiche meines Stellvertreters Maisky, aber General Velikow ist noch nicht gefunden worden.«
»Fehlten Geheimcodes oder Dokumente?«
Polevoj hütete sich, den eigenen Kopf auf den Henkersblock zu legen und die Verantwortung für das Desaster zu übernehmen. Aber wie es stand, hing seine Karriere jetzt an einem seidenen Faden, und es lag durchaus im Bereich des Möglichen, daß er bald ein vergessener Bürokrat war, der gerade noch ein abgelegenes Arbeitslager leiten durfte.
»Alle Geheimpapiere sind zuvor von General Velikows Stab vernichtet worden, bevor die Männer im Kampf fielen.«
Antonow akzeptierte diese Lüge. »Der CIA wieder mal«, sinnierte er. »Er steckt hinter dieser unfairen Provokation.«
»Nein, ich glaube nicht, daß wir das hier dem CIA anhängen können. Die ganzen Indizien deuten klar auf eine rein kubanische Operation hin.«
»Das gibt es nicht«, schnappte Antonow. »Unsere Vertrauensleute in Castros Armee hätten uns rechtzeitig gewarnt, wenn da etwas vorbereitet worden wäre, um die Insel zu erobern.
Und außerdem übersteigt eine waghalsige und phantasievolle Operation dieser Art und vor allem dieser Größenordnung weit jedes lateinamerikanische Gehirn.«
»Das mag sein, aber unsere besten
Weitere Kostenlose Bücher