Cyclop
Oates und Fawcett, die ihn ihrerseits ungläubig ansahen. »Lieber Gott, Jessie versucht offenbar noch immer, unsere Erwiderung auf den vorgeschlagenen Pakt mit Kuba anzubringen.«
»Halten Sie es überhaupt für möglich, daß Sie Kontakt zu Castro aufnehmen kann?« wollte Fawcett wissen.
Brogan schüttelte bedauernd den Kopf. »Wohl kaum. Die ganze Insel strotzt vor Sicherheitskontrollen, Polizei und Milizeinheiten, die buchstäblich jede einzelne Meile jeder Straße unter Kontrolle halten. Es würde keine Stunde dauern, bis sie aufgegriffen würden.
Vorausgesetzt, sie kommen überhaupt durch den Abschirmungsgürtel der Strandpatrouillen.«
»Vielleicht hat Pitt wieder einmal sein bekanntes Glück«, meinte Fawcett.
»Gewiß nicht«, murmelte der Präsident, dessen Gesicht offene Besorgnis zeigte. »So viel Glück gibt es nicht. Er hat seinen Anteil bereits über alle Maßen ausgeschöpft.«
In einem kleinen Büro im CIA-Hauptquartier in Langley saß Chefanalytiker Bob Thornburg.
Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und auf seinen Schreibtisch gelegt und arbeitete sich durch einen Stoß Material, der aus San Salvador eingeflogen worden war. Er saugte an seiner Pfeife und übersetzte den russischen Text.
Er überflog rasch drei Aktenordner und griff sich auch noch einen vierten, dessen Titel sein Interesse erregte. Die ganze Wortwahl war sehr amerikanisch. Es ging um eine Geheimaktion, die nach einem Mixgetränk benannt war. Er las es quer bis zum Ende und saß dann eine ganze Weile völlig verblüfft da.
Dann legte er entschlossen die Pfeife weg, nahm die Füße vom Schreibtisch und begann die ganze Geschichte genauer durchzulesen, Satz für Satz. Er machte sich dazu Notizen auf einem gelben Block.
Nach fast zwei Stunden griff er zum Telefon und wählte das Vorzimmer des stellvertretenden Direktors.
»Hallo, Eileen, Bob Thornburg. Können Sie mich mal mit Henry verbinden?«
»Er spricht gerade auf der anderen Leitung.«
»Er soll mich zurückrufen, sobald es geht. Es ist dringend.« Dann ordnete er seine Notizen und begann das Material zum fünften Mal durchzulesen, bis ihn das Telefon unterbrach.
»Hallo, Bob. Henry hier. Was gibt’s denn so Dringendes?«
»Kann ich sofort zu dir rüberkommen? Ich bin gerade einen Teil des Materials aus San Salvador durchgegangen.«
»Ist da was?«
»Ein Hammer, würde ich sagen.«
»Wie war’s mit einem Stichwort?«
»Fidel Castro.«
»Was hat er nun wieder Unartiges vor?«
»Er wird übermorgen tot sein.«
62
Pitt sah, als er aufwachte, als erstes auf die Uhr. Es war genau 12.18 Uhr. Er fühlte sich erholt und in guter Stimmung, er war fast optimistisch.
Bei näherem Nachdenken empfand er diese gehobene Stimmung als einigermaßen paradox.
Seine Zukunft sah keineswegs rosig aus. Er hatte weder kubanisches Geld noch Papiere. Er war in einem kommunistischen Land ohne auch nur eine Kontaktmöglichkeit – oder, falls man ihn aufgriff, einen plausiblen Grund für sein Hiersein. Und er hatte obendrein die falsche Uniform an. Er würde von Glück sagen können, wenn er den Tag durchstand, ohne als Spion erschossen zu werden.
Er rüttelte Jessie sanft an der Schulter. Dann kroch er aus dem Kanalisationsrohr heraus, besah sich sorgfältig die Gegend und begann mit einigen Streckübungen, um seine steifen Muskeln wieder etwas geschmeidig zu machen.
Jessie öffnete die Augen. Sie erwachte nur langsam aus einem tiefen, erholsamen Schlaf und fand erst allmählich wieder in die Wirklichkeit zurück.
Sie war zusammengerollt gewesen und reckte und streckte jetzt erst einmal die Glieder wie eine Katze und stöhnte ein wenig, weil ihr alles weh tat.
Sie vermochte anfangs nur an idiotische Dinge zu denken – wie beispielsweise, wen sie alles zu ihrer nächsten Party einladen sollte, wie sie mit dem Koch die Speisen planen und mit dem Gärtner besprechen würde, wie die Hecken neben dem Gartenweg zu stutzen seien. Dann begannen Erinnerungen an ihren Mann vor ihrem Auge lebendig zu werden. Sie fragte sich wieder einmal, wie es möglich war, daß eine Frau, die zwanzig Jahre lang mit einem Mann zusammenlebte, immer noch nicht genau wissen konnte, wer und was er wirklich ist. Aber trotz allem war Raymond LeBaron auch jetzt noch für sie ein Mann, der weder besser noch schlechter war als irgendein Mann und der imstande war, Leidenschaft, Pedanterie, Brillanz und auch brutale Rücksichtslosigkeit fast in ein und demselben Moment zu beweisen.
Sie schloß die Augen,
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