Cyclop
ziemlich klein. Sie sangen, aber es war nicht auszumachen, was.
Giordino kam mit einem kleinen Tablett und drei Tassen zurück. Er blieb überrascht stehen und sah der Gruppe entgegen, die sich ihren Weg durch den Schutt und die Trümmer auf dem Platz bahnte.
Der Hüne in der Mitte war nicht wirklich über zwei Meter groß. Es hatte nur so ausgesehen, weil er einen kleinen Jungen auf den Schultern trug. Dieser sah verängstigt aus und klammerte sich mit den Händen an der Stirn seines Trägers fest, wodurch er dessen ganze obere Gesichtshälfte verdeckte. In einem seiner muskulösen Arme hielt der Träger noch zusätzlich ein kleines Mädchen, während sich ein anderes, etwa fünf Jahre alt, an seiner anderen Hand festhielt. Hinter ihnen her folgte noch eine ganze Kette Kinder. Es klang, als sängen sie in gebrochenem Englisch. Die ganze seltsame Gruppe vervollständigten noch drei Hunde.
Sandecker sah Giordino fragend an. Der breitschultrige Italiener zwinkerte wegen des beißenden Rauchs in der Luft und starrte mit steigender Verblüffung auf den seltsamen Zug.
Der Mann sah aus wie ein Gespenst, erschöpft offenbar bis zum Umfallen. Seine Kleider hingen in Fetzen an ihm herunter, und er hinkte. Seine Augen lagen tief eingesunken in ihren Höhlen, und das ausgezehrte Gesicht war blutverkrustet. Doch Kinn und Mund machten einen entschlossenen Eindruck, und er betätigte sich auch mit lauter, fester Stimme als Vorsänger der Kinder.
Jessie stand mühsam auf. »Ich muß zu meiner Arbeit zurück«, sagte sie, »diese Kinder da brauchen Hilfe.«
Die Gruppe war jetzt nahe genug, daß zu verstehen war, was sie sangen. Sie sangen den Yankee Doodle.
Und dann fiel Giordino das Kinn herunter, und der Mund stand ihm offen. Seine Augen weiteten sich. Er deutete sprachlos und verständnislos auf den Mann, warf dann das Tablett mit den Kaffeetassen einfach weg und rannte die Treppen der Kathedrale wie ein Verrückter hinunter. »Das ist er!« schrie er. »Er ist es!« Sandecker hatte noch nicht begriffen. »Was ist los? Was war das?«
Aber auch Jessie war schon aufgesprungen – sie spürte ihre Müdigkeit nicht mehr und lief hinter Giordino her. »Er ist am Leben!« rief sie.
Und endlich setzte sich auch Sandecker in Bewegung. Den Kindern erstarb ihr Lied auf den Lippen, und sie drängten sich angesichts der drei auf sie zustürmenden Erwachsenen angstvoll um ihren Beschützer, als ginge es um ihr Leben. Die Hunde stürmten herzu und bellten laut.
Giordino hielt atemlos vor ihnen an und brachte kein Wort heraus. Er grinste nur von einem Ohr zum ändern. Und nach einiger Zeit fand er die Sprache wieder. »Hallo, Lazarus, guten Tag.«
Pitt lächelte hintergründig. »Guten Tag auch, Freund. Sie haben wohl nicht ganz zufällig einen trockenen Martini in der Tasche, wie?«
78
Pitt schlief seit sechs Stunden wie ein Stein in einer leeren Nische der Kathedrale. Er hatte sich noch darum gekümmert, daß die Kinder versorgt und die Hunde gefüttert wurden, bevor er in tiefen Schlaf gesunken war – nicht, ohne außerdem erst noch darauf zu bestehen, daß sich auch Jessie ausruhte.
Nun lagen sie nebeneinander auf einer Decke am Boden. Der treue Giordino saß in einem Korbstuhl am Eingang der Nische und hütete ihren Schlaf. Gelegentlich scheuchte er einige Kinder fort, wenn sie spielend zu nahe kamen oder zu laut wurden.
Als Sandecker in Begleitung einer Gruppe uniformierter Kubaner erschien, fuhr er verblüfft hoch. Auch Ira Hagen war bei der Gruppe. Er sah älter und sehr viel müder aus als bei ihrem letzten Treffen – und das war kaum zwanzig Stunden her. Den Mann neben ihm und direkt hinter dem Admiral erkannte er sofort. Er stand auf, als Sandecker auf die beiden Schlafenden deutete.
»Wecken Sie sie.«
Jessie erhob sich stöhnend und schlaftrunken. Giordino mußte sie mehrmals schütteln, um sie davon abzuhalten, sofort wieder einzuschlafen. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie endlich einigermaßen wach und aufnahmefähig war.
Pitt hingegen war fast augenblicklich hellwach. Sein Geist arbeitete wie ein Uhrwerk. Er drehte sich um und stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete mit aufmerksamen Augen die Gruppe, die sich um sie aufgestellt hatte.
»Dirk«, sagte Admiral Sandecker, »das hier ist Präsident Fidel Castro. Er war auf einer Inspektion durch die Krankenhäuser und Lazarette, und wir haben ihm berichtet, daß Sie und Jessie hier seien. Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Bevor Pitt etwas erwidern
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