Cyclop
zertrümmerten Fenster. Es schien, als zöge die Hand eines Riesen das ganze Luftschiff unter Wasser. Unter ihnen huschte ein gelber Fischschwarm davon, bevor die Gondel auf dem Meeresboden aufschlug. Eine Wolke feinen Sandes wirbelte auf und nahm den Insassen die Sicht. Dann wurde es still wie in einem Grab, nur das sanfte Sprudeln entweichender Luft war noch zu hören.
Auf der wild bewegten Wasseroberfläche suchte die Besatzung des Schnellbootes an der Unglücksstelle nach Anzeichen für Überlebende. Sie fanden nur Ölflecken und einige treibende Trümmer.
Der Wind des näher kommenden Hurrikans steigerte sich zu Stärke 8. Die Wogen erreichten eine Höhe von fast sechs Metern und machten jede weitere Suche unmöglich. Dem Kapitän des Schiffes blieb nichts anderes übrig, als den nächsten sicheren Hafen in Kuba anzulaufen.
Hinter ihm blieb eine wütende und schäumende See zurück.
20
Die schimmernde Wolke von Sand und Schlamm, in der die Überreste der
Prosperteer
verschwunden waren, wurde rasch von einer schwachen Grundströmung davongetragen. Pitt stützte sich auf Arme und Knie. Dann sah er sich vorsichtig in den Trümmern der Gondel um.
Gunn saß aufrecht am Boden, den Rücken gegen eine Verstrebung gelehnt. Sein linker Knöchel war zur Größe einer Kokosnuß angeschwollen, aber er atmete gleichmäßig durch sein Mundstück und hob zwei Finger zu einem V.
Giordino richtete sich etwas mühsam auf und rieb sich vorsichtig die rechte Seite der Brust.
Ein gebrochener Knöchel und vielleicht ein paar eingedrückte Rippen, dachte Pitt, es hätte schlimmer kommen können. Er beugte sich über Jessie und hob ihren Kopf. Ihre Augen schienen hinter der Tauchermaske leer. Aber das dumpfe Zischen ihres Atemregulators und das gleichmäßige Heben und Senken ihrer Brust zeigten, daß sie normal atmete, höchstens ein wenig zu schnell. Er strich mit den Händen über ihre Arme und Beine, fand aber keine Anzeichen von Brüchen. Außer einem großen blauen Fleck, der sicher in den nächsten vierundzwanzig Stunden erst richtig aufblühen würde, schien sie völlig in Ordnung. Wie um ihn zu bestätigen, griff sie nach seinem Arm und drückte ihn kräftig.
Zufrieden wandte Pitt seine Aufmerksamkeit sich selbst zu. Alle Gelenke ließen sich ordentlich bewegen, die Muskeln funktionierten, nichts schien durcheinandergeraten. Doch auch er war nicht ganz unversehrt entkommen. Auf seiner Stirn entwickelte sich eine dunkelrote Beule, und als er den Kopf bewegte, spürte er eine unangenehme Steifheit des Nackens. Pitt verdrängte alle Schmerzen mit dem beruhigenden Gefühl, daß jedenfalls niemand blutete. Einmal Haaresbreit am Tode vorbei reichte pro Tag, dachte er sich. Das letzte, was sie jetzt brauchten, war ein Angriff von Haien.Er konzentrierte sich auf das nächste Problem : sie mußten aus der Gondel heraus. Die Tür war verklemmt, kein Wunder – nach dem Absturz. Er griff mit beiden Händen nach einem verbogenen Fensterrahmen und trat ihn mit den Füßen ganz hinaus. Treten war natürlich auch eine Übertreibung, er machte die Bewegungen, die der Wasserdruck hier noch zuließ. Aber Erfolg hatte er schließlich doch.
Giordino schwamm als erster hinaus, den Kopf in einer Wolke von Blasen aus seinem Atemregulator. Er streckte seinen Arm wieder nach innen, stemmte seine Füße in den Sand und winkte. Während Pitt und Gunn von innen schoben, zog er ein großes eingewickeltes Bündel langsam durch die Öffnung, bis es auf dem Grund draußen lag. Dann folgten acht Stahltanks mit Sauerstoff, die Giordino sicher daneben verstaute.
In der zertrümmerten Gondel bemühte sich Jessie um den Druckausgleich in den Ohren. Das Blut dröhnte in ihrem Kopf und jagte stechende Schmerzen durch ihre Trommelfelle. Sie schnaubte kräftig. Endlich knackte es in ihren Ohren, und die Erleichterung war so wunderbar, daß ihr Tränen in die Augen traten. Sie nahm einen tiefen Atemzug aus dem Mundstück. Wie wunderschön es doch wäre, jetzt im eigenen Bett aufzuwachen, dachte sie.
Etwas berührte ihren Arm, es war eine feste rauhe Hand. Sie sah auf und entdeckte Pitts Augen direkt vor ihrer Tauchermaske; sie schienen zu lächeln. Er nickte ihr zu, ihm zu folgen.
Er führte sie hinaus in die weite Wasserwüste. Sie sah nach oben und verfolgte den Strom ihrer Luftblasen zur unruhigen Oberfläche. Trotz des Sturmes über ihnen war die Sicht hier am Grund fast fünfzig Meter weit. Sie erkannte nahezu die ganze Länge des zerfetzten
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