Cyclop
wurde immer deutlicher, daß die
Cyclop
einen schnellen und gewaltsamen Tod gefunden haben mußte. Die verrotteten Überreste der Rettungsboote hingen noch in ihren Davits. Und die ganze Hülle sah aus, als hätte sie den Schlag einer Riesenfaust empfangen. Immer deutlicher wurde die merkwürdige Schachtelform der Brücke erkennbar. Ihre beiden Stützpfeiler auf der Steuerbordseite waren eingeknickt, aber die Schräglage des Schiffes hatte dafür gesorgt, daß die Brücke in etwa ihre Form behalten hatte. Mit eigentümlichem Galgenhumor hatte das Unglück die Brücke sogar in perfekt horizontaler Lage zurückgelassen, während das ganze restliche Schiff schräg lag.
Die Dunkelheit hinter der leeren Türöffnung des Ruderhauses wirkte drohend. Pitt schaltete seine Taucherlampe an und schwebte vorsichtig hinein. Er achtete sorgsam darauf, mit seinen Flossen keinen Schlick vom Deck aufzuwirbeln. Schwaches Licht drang durch die schlammüberzogenen Bullaugen. Pitt rieb den Schmutz von der Schiffsuhr ab. Ihre verrosteten Zeiger standen auf zwölf Uhr einundzwanzig. Er untersuchte auch den großen Kompaß. Er hatte den Untergang ohne Schäden überstanden. Das Schiff lag genau drei-hundertvierzig Grad nach Norden.
Pitt untersuchte gerade den Maschinentelegraph, der auf volle Fahrt stand, als Jessie hinter ihm eine schreckhafte Bewegung vollzog, die Pitt einen Schauer über den Nacken jagte. Er wirbelte herum und sah sie im Geist schon von einem Hai davongezerrt, als er ihre heftigen Gesten zu einem Objekt hin bemerkte, das aus dem Schlamm hervorragte.
Zwei menschliche Schädel, bis zu der Nasenöffnung im Schlick begraben, starrten sie aus leeren Augenhöhlen an. Sie vermittelten Pitt das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden.
Jetzt entdeckte er auch die Knochen eines anderen Besatzungsmitgliedes vor dem Ruder.
Noch immer ruhten knöcherne Finger zwischen den Speichen. Pitt fragte sich, ob einer dieser traurigen Überreste wohl Kapitän Worley war.
Sonst gab es nichts zu sehen, so daß Pitt Jessie wieder aus dem Ruderhaus nach draußen führte und dann die Gangway zu den Passagierquartieren hinunter. Sie fanden weitere menschliche Überreste, aber keine Spur von Gepäck oder gar einer Kiste, die eine Statue enthalten konnte. Schließlich schwammen sie wieder zurück auf das Deck. Giordino erwartete sie schon und winkte sie zu einer halb offenen Luke. Pitt zwängte sich hinein. Sein Sauerstofftank klirrte gegen den Rahmen. Er schwamm einen engen Tunnel neben einer verrotteten Leiter hinunter.
Unten befand er sich in einem Raum, der nach dem Anblick der Trümmer und Überreste in dem unirdischen Schimmer von Gunns Taucherlampe ein Gepäckabteil gewesen sein mußte.
Dahinter lag ein Haufen Knochen. Ein Kiefer unter einem Schädel stand weit offen, als wolle er einen Schreckensschrei ausstoßen.
Gunn war bereits damit beschäftigt, intensiv die verrotteten Einzelteile einer riesigen auseinandergefallenen Kiste zu untersuchen. Von der Kiste an die Wand gedrückt, entdeckten sie die Überreste von zwei weiteren Männern.
Einen Augenblick klopfte Pitts Herz vor Aufregung und Vorfreude, denn er war sich sicher, den größten Schatz der Meere entdeckt zu haben. Dann sah Gunn auf, und Pitt konnte die bittere Enttäuschung in seinen Augen lesen. Die Kiste war leer.
Aber die weitere Suche in dem Frachtraum brachte eine andere erstaunliche Entdeckung. In den dunklen Schatten fanden sie die zusammengeklappte Hülle eines altmodischen Tiefseetaucheranzuges. Die Arme waren ausgestreckt, die Füße befanden sich in schweren Stiefeln nach Frankenstein-Manier. Ein kupferner Taucherhelm und die dazugehörige Brustplatte bedeckten Kopf und Nacken. Zusammengerollt wie eine tote graue Schlange ringelte sich neben dem Anzug der dazugehörende Luftschlauch. Er war etwa anderthalb Meter vom Helm aus abgeschnitten worden.
Die Ablagerungen auf dem Anzug und dem Schlauch deuteten darauf hin, daß er sich schon viele Jahre hier befinden mußte. Pitt zog ein Messer, das er am rechten Oberschenkel trug, aus der Scheide und benutzte es, um die Schrauben an der Helmplatte aufzudrehen. Er öffnete den Helm und leuchtete hinein. Geschützt vor dem Meer und seinen Räubern zeigte der Schädel im Inneren noch Überreste von Fleisch und Haaren.
Pitt und seine Begleiter waren nicht die ersten, die das grausame Geheimnis der
Cyclop
erforscht hatten. Jemand anders war schon hier gewesen und hatte
La Dorada
mitgenommen.
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Pitt überprüfte noch
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