Cyclop
Luftschiffes, das in einiger Entfernung von der Gondel aufgeschlagen war. Von Gunn und Giordino war nichts zu sehen.
Pitt gab ihr Zeichen, bei den Sauerstofftanks und dem seltsamen Bündel zu warten. Er überprüfte seinen Kompaß am linken Handgelenk und schwamm dann in die blaue Dämmerung davon. Jessie trieb schwerelos, ihr Kopf benommen von einer leichten Nitrogen-Narkose. Sie fühlte sich plötzlich sehr einsam. Erleichtert hob sie den Kopf, als Pitts schattenhafter Umriß wieder auftauchte. Sie folgte seinen Zeichen und paddelte langsam hinter ihm her. Bald hatte sie ihn eingeholt.
Unter ihnen stoben Fischschwärme davon. Plötzlich stieß Jessie ihre Finger in Pitts Oberschenkel und deutete nach oben und hinter ihn. Dort trieb in fauler Langeweile keine zwanzig Meter entfernt ein Schwarm Barracudas. Es mußten mehr als zweihundert sein, und keiner war unter einem Meter lang. Sie drehten wie ein Kampfgeschwader gleichmäßig ab und begannen dann die Taucher mit glotzäugiger Neugier zu umkreisen. Schließlich entschieden sie, daß Pitt und Jessie die Mühe nicht wert schienen, und waren im nächsten Augenblick verschwunden.
Als Pitt sich umwandte, sah er hinter sich Rudi Gunn aus dem Vorhang der blauen Dämmerung auftauchen. Gunn hielt neben ihnen und winkte ihnen zu, ihm schnell in seiner Richtung zu folgen. Dann hob er die Hand zum V-Zeichen des Erfolges.
Gunn paddelte heftig mit einer Flosse und hob sich schnell fast zehn Meter über den Grund, Pitt und Jessie folgten ihm, so gut sie konnten.
Sie hatten etwa fünfzig Meter zurückgelegt, als Gunn plötzlich langsamer wurde und seinen Körper in eine waagerechte Position brachte. Er streckte eine Hand aus und hatte den Finger sichelförmig gekrümmt wie der Sensenmann.
Wie ein Spukschloß in den Nebeln des Yorkshire-Moores ragte die geisterhafte Gestalt der
Cyclop
aus der nassen Dämmerung, böse und drohend, als würde in ihrem Inneren eine unaussprechliche Macht lauern.
21
Pitt war schon zu vielen Schiffswracks getaucht, und er war der erste Mensch gewesen, der das Wrack der
Titanic
leibhaftig gesehen hatte, aber dieses verlorene Geisterschiff der Seefahrtslegende hier vor sich zu sehen erweckte in ihm eine fast abergläubische Ehrfurcht.
Das Wissen, daß vor ihm das Grab von über dreihundert Männern lag, verstärkte die böse Aura des Schiffes nur noch.
Das versunkene Schiff lag auf der Backbordseite, etwa um fünfundzwanzig Grad geneigt, den Bug nach Norden. Man sah ihm an, daß es nicht auf den Meeresgrund gehörte, und Mutter Natur hatte sich schon an die Arbeit gemacht, es mit einem Sediment von Unterwasserorganismen zu überziehen, um es seiner Umgebung anzupassen.
Sie entdeckten, daß Giordino schon fleißig dabei war, die Ablagerungen an einer kleinen Stelle neben der Heckreling abzukratzen. Er wandte sich um, als sie näher kamen, und zeigte stolz sein Arbeitsergebnis. Die freigelegten Lettern ergaben deutlich das Wort
Cyclop
.
Pitt warf einen Blick auf seine orangenfarbene Doxa-Taucheruhr. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, daß der Zeppelin abgestürzt war, aber in Wirklichkeit waren erst neun Minuten vergangen, seit sie die Gondel verlassen hatten. Oberstes Gebot war der sparsame Umgang mit dem Sauerstoff. Sie mußten das Wrack noch durchsuchen und dann genug übrighalten, um mit den Reservetanks die Dekompression durchzuführen. Ihre Sicherheitsmenge war gefährlich gering.
Er überprüfte Jessies Sauerstoffanzeige und ihre Augen. Sie sah ihn klar an. Ihr Atem ging langsam und gleichmäßig. Sie gab ihm das Daumen-nach-oben-Zeichen und begleitete es mit einem koketten Blinzeln. Ihr Flirt mit dem Tod in der
Prosperteer
war für den Augenblick vergessen.
Pitt blinzelte zurück. Sie scheint tatsächlich Spaß daran zu finden, dachte er.
Die vier bildeten eine Linie und begannen das Schiff der Länge nach abzusuchen. Die Türen der Heckaufbauten waren abgefault. Aber jedes winzigste Stück flacher Oberfläche war hoch von staubigen Sedimenten bedeckt. Aus dem Studium des Plans der
Cyclop
wußte Pitt, daß er keine Zeit am Heck zu verlieren brauchte. Wenn sie die La-Dorada-Statue finden wollten, dann hatten sie die besten Chancen im Frachtraum unter der Brücke. Er winkte den anderen zu, sich auf den Bug zu konzentrieren.
Langsam und vorsichtig schwammen sie an dem Laufgang über den Kohlebunkern entlang und zwängten sich an den Überresten des zusammengestauchten Ladebaums vorbei, der wie Riesenfinger in die Dämmerung ragte. Es
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