Cyclop
verborgene Kälte. Sein Haar war kurz geschnitten, dunkel, aber schon mit einem leichten Anflug von Grau an den Schläfen. Die Augen waren blau wie ein Alpensee, und das hellhäutige Gesicht zeigte eher einen klassisch-römischen Einschlag als einen slawischen. Mit einer Toga und einem Lorbeerkranz, überlegte Pitt, würde er sich gut als Marmorbüste von Julius Cäsar machen.
»Ich hoffe, es wird Ihnen nichts ausmachen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle«, fuhr Velikow freundlich fort.
»Überhaupt nicht. Ich habe heute nachmittag sowieso nichts anderes vor. Verfügen Sie über meine Zeit.«
Für eine Sekunde blitzte es in den Augen Velikows eisig auf, dann wirkte er entspannt wie zuvor. »Würden Sie mir erzählen, wie Sie nach Cayo Santa Maria gelangt sind?«
Pitt hob die Hände in einer hilflosen Geste. »Ich will Sie nicht lange aufhalten und darum herumreden. Ich bin Präsident des CIA. Wir haben uns dazu entschlossen, eine spezielle Propagandaaktion gegen Kuba zu starten. Von einem Zeppelin haben wir Coupons für Klopapier abgeworfen, nachdem wir gehört haben, daß es da einen akuten Notstand gibt. Die Kubaner haben uns natürlich sofort durchschaut und abgeschossen.«
General Velikow schaute amüsiert, aber auch etwas irritiert drein. Er zog eine Brille aus der Brusttasche der Uniform und setzte sie umständlich auf. »Ich habe Ihr Dossier hier vor mir, Mr. Pitt.« Er zog eine Akte unter dem Zeitschriftenstapel hervor. »Dirk Pitt, wenn ich das richtig lese. Aus unseren Unterlagen geht hervor, daß Sie über einen Hang zum trockenen Humor verfügen.«
»Weisen Ihre Unterlagen Sie auch darauf hin, daß ich ein pathologischer Lügner bin?«
»Nein, aber Sie scheinen eine interessante Lebensgeschichte zu haben. Bedauerlich, daß Sie nicht auf unserer Seite stehen.«
»Na hören Sie mal, General, welche Zukunft hätte ein Nonkonformist wie ich schon in Moskau?«
»Keine große, fürchte ich.«
»Ein Kompliment für Ihre Ehrlichkeit.«
»Warum sagen Sie mir nicht einfach die Wahrheit?«
»Nur, wenn Sie bereit sind, mir zu glauben.«
»Glauben Sie, das kann ich nicht?«
»Nicht, wenn Sie unter jedem Stein ein Komplott des CIA suchen und sich der allgemeinen kommunistischen Hysterie in Geheimdienstdingen hingeben.«
»Ich werde darauf achten«, versicherte Velikow mit feinem Lächeln. »Nachdem Sie mir nun gesagt haben, was Sache ist, würden
Sie
mir jetzt bitte auch erzählen, wie Sie hierhergekommen sind?«
Pitt nickte in Richtung der Karaffe. »Ich glaube, jetzt hätte ich gern noch einen Cognac.«
»Bitte bedienen Sie sich.«
Pitt füllte sich sein Glas zur Hälfte und setzte sich wieder in den Sessel.
»Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist die reine Wahrheit. Ich möchte, daß Sie wissen, daß ich keinen Grund habe, Ihnen etwas vorzulügen. Nach bestem Wissen und Gewissen befinde ich mich auf keinerlei Geheimdienstmission für meine Regierung. Verstehen Sie mich, General?«
»Selbstverständlich.«
»Haben Sie Ihren Rekorder eingeschaltet?«
Velikow besaß die Freundlichkeit zu nicken. »Natürlich.«
Und Pitt erzählte die ganze Geschichte von seiner Entdeckung des führerlosen Zeppelins bis zu ihrem Flug mit der
Prosperteer,
der schließlich mit dem Abschuß durch den kubanischen Helikopter geendet hatte. Er ließ nur Giordinos Raketenangriff auf den Hubschrauber und ihre Tauchexpedition zum Wrack der
Cyclop
aus.
Velikow sah nicht auf, als Pitt seine Erzählung beendet hatte. Er blätterte weiter durch die Akte vor ihm. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Der General wirkte, als wäre er mit den Gedanken kilometerweit entfernt.
Pitt ging auf das Spiel ein. Er stand auf und wanderte durch den Raum. Gedankenverloren nahm er eine Ausgabe der
Washington Post
in die Hand und stellte zu seiner Überraschung fest, daß sie das Datum des Tages trug.
»Sie müssen ein sehr gut funktionierendes Postsystem haben«, bemerkte er.
» Entschuldigung?«
»Ihre Zeitung ist erst ein paar Stunden alt.«
»Fünf Stunden, um genau zu sein.«
Der Cognac glühte angenehm in Pitts leerem Magen. Nach dem dritten Drink ging Pitt zum Angriff über.
»Warum halten Sie Raymond LeBaron hier gefangen?« verlangte er zu wissen.»Im Augenblick ist er unser Gast.«
»Das erklärt aber nicht, warum Sie diesen Besuch seit über zwei Wochen streng geheimhalten.«
»Ich muß Ihnen das nicht erklären, Mr. Pitt.«
»Warum bekommt Mr. LeBaron ein exzellentes Dinner vorgesetzt, während meine Freunde und ich wie
Weitere Kostenlose Bücher