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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Er hob sein Schwert und rieb damit über ihren knochigen Arm. »Ich bin hier der Herr. Vergiß es nicht.«
    »Nein. Sie ist die Herrin. Die Göttin - Gottkönigin -, die wir verehren und der wir gehorchen.«
    »Verflucht sei -«
    Mevary verstummte abrupt. Eine der schöpfenden Hexen hatte ihre Arbeit im Stich gelassen, war hinter ihn getreten und griff plötzlich nach seinem Arm. Der Griff war überraschend kräftig für ein so altes und dürres Geschöpf.
    »Es ist alles wirklich sehr unterhaltsam«, bemerkte eine junge Stimme, die nicht nur melodisch, sondern überdies eindeutig männlich klang. »Wie auch immer, jeder Spaß muß ein Ende haben.«
    Mevarys Schwertarm sank herab. Er wirbelte herum, und niemand hinderte ihn daran. Tabbit drehte sich gleichfalls um und auch Valia, deren letzte Worte verklangen, ohne von anderen gefolgt zu werden.
    Die vormals wasserschöpfende Hexe ließ zuvorkommenderweise ihr graues Gewand fallen. Zum Vorschein kam eine strahlende Gestalt, unter einem flammendorangefarbenen Haarschopf. Es war nicht das erste Mal, daß Cyrion die Kleider von Toten genommen hatte, um sich zu verkleiden, allerdings hatte er sie nicht immer abgenagten Knochen in unterirdischen Gängen ausgezogen.
    Mevary, der in mancher Hinsicht ein Dummkopf war, verfügte doch über die schnelle Auffassungsgabe derer, die langer Gedankengänge nicht fähig sind.
    »Roilants Beauftragter«, rief er.
    »Roilants Beauftragter«, gab Cyrion ihm recht. »Und Ihr seid natürlich Mevary. Und Ihr«, mit einer Verbeugung in Tabbits Richtung, »die zauberkundige Kinderfrau Tabbit.« Die kühlen Augen richteten sich auf das Sklavenmädchen Jhanna. »Und Ihr müßt die Lady Valia sein. Ich bin so froh, Euch wohlauf zu sehen.«
    Valia hielt den Atem an. Ohne den Blick von ihm zu wenden, sagte sie: »Er muß gleichfalls sterben, Oe-Tabbit.«
    Tabbits Lippen bewegten sich, aber sie brachte keinen Ton heraus. So klar und deutlich hatte ihr Ziel vor ihr gelegen, und jetzt das. Die klare Ordnung ihres Willens wurde von diesem Durcheinander in Aufruhr gebracht.
    »Wußtet Ihr, daß man Euch hier hergebracht hat, um zu sterben, Mevary?« fragte Cyrion. »Nein? Aber es ist so. Ein Imbiß für die Göttin, die auf ihren wäßrigen Lippen zu gerne das Blut junger Männer spürt. Aber Ihr wart in dem Glauben, sie würden für Euch den Goldschatz der Remusaner heraufholen. Nichts anderes hätte Euch dazu bringen können, an so etwas teilzunehmen.« Cyrion lächelte Valia an, dann Tabbit, wieder Valia. »Kann ich es ihm noch erklären? Gewährt die Göttin mir so viel Zeit?« Niemand sprach. Die Schwestern an den Rudern verrenkten sich die Hälse, waren aber gleich ihrer Anführerin im Dschungel des Unvorhergesehenen gefangen.
    »Meiner Ansicht nach hat es sich folgendermaßen abgespielt«, erklärte Cyrion, wobei seine Blicke zwischen Mevary, Tabbit und Valia hin und her wanderten, »vor Hunderten von Jahren entfernte sich ein Trupp Soldaten von ihrer Einheit, nachdem sie diese um eine bestimmte Menge Goldes erleichtert hatten. Dann stahlen sie ein kleines Schiff und takelten es, da sie kein Segeltuch hatten, mit ihren aneinandergenähten Umhängen. Es ist nicht mehr viel davon übrig, aber das ist das Rot der remusanischen Legionen, wenn auch stark verblaßt und fleckig vor Ruß. Entweder kannten die Männer diese Grotte oder entdeckten sie durch Zufall und beschlossen, ihre Beute hier zu verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen war. Aber dabei wurden sie von den damaligen Mitgliedern dieser eifrigen Schwesternschaft überrascht und getötet. Das muß ein vergnüglicher Abend gewesen sein, Tabbit, nicht wahr? Vielleicht ist Euch aufgefallen«, sagte Cyrion im Gesprächston zu Mevary, »daß die Höhlenwände hier und da ein eigenartiges Leuchten verströmen. Es rührt zu einem Teil von den Pilzkulturen her, die diese reizenden Damen angelegt haben, um ihre wenig angenehmen Mittelchen und Gifte zu brauen. Aber es hat noch eine andere Ursache. An manchen Stellen sind Menschenknochen an den Wänden befestigt, eine beachtliche Menge, und daher rührt der aparte Schimmer. Das Gold der toten Legionäre«, fuhr Cyrion fort, »wurde als zusätzliche Weihegabe in diesem See versenkt. Es dürfte unmöglich sein, es wieder herauszuholen. Gelegentlich wird mal ein Stück angeschwemmt, durch eine Laune der Wasserströmung. Was das Schiff betrifft, so eignet es sich ausgezeichnet für die Rituale. Es trägt die Diener der Göttin fröhlich auf ihren

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