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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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gegenseitig ermordet hatte, und ein paar unschuldige Außenstehende dazu. Sie würde sich um Roilant kümmern, wenn sie später wieder nach oben stieg. Sie hatte ihn noch nicht getötet, weil sie befürchtete, Mevary könne es merken und mißtrauisch werden. Einen Menschen einmal zu töten war die eine Sache - Mevary hatte seiner Feigheit die Schuld gegeben und sogar Eliset verdächtigt. Aber zweimal - ah, nein. Erst wenn Mevary aus dem Weg war, konnte Valia sich mit Roilant beschäftigen. Und Eliset die Folgen tragen lassen. Mevarys Überreste würden nie gefunden werden. Harmul und Zimir würde sie vielleicht auch beseitigen. Natürlich auch Elisets Werk. Schade, daß Dassin geflohen war, aber er zählte nicht.
    Sie war jetzt bereit, und die Wucht ihrer Entschlossenheit machte sie schwindelig. Endlich frei zu sein, wie herrlich, wie erschreckend! Aber zuerst die Rache, nach der sie mehr als dreizehn Jahre gedürstet hatte. Ihre Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück und ergötzten sich an ihrem Glanz.
    Im Gegensatz zu ihr hatte Mevary die Brauen gerunzelt und die Augen zusammengekniffen. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn. Und zwar nicht, weü er so nahe bei dem zischenden Feuer stand. Etwas in ihm versuchte, ihn zu warnen, aber seine Handlungen und seine Gier hatten sich seinem Einfluß entzogen. Es war zu spät zur Umkehr.
    »Komm«, sagte sie. »Das Schiff.«
    Gerris’ dunkelhaarige Tochter trat aus dem Kreis der Hexen heraus und ging voran zu dem altersschwachen Schiff.
    Die alten Frauen folgten ihr, und jetzt war es noch schwieriger, ihre genaue Anzahl zu erkennen, weil immer mehr aus den Höhlen kamen, um sich der Prozession anzuschließen. Die Fackeln zischten und qualmten. Mit fast obszön anmutender Kraft schob die Versammlung alter Vetteln das Schiff ins Wasser, wankte an Bord und nahm die Ruder auf.
    Der Anblick war lächerlich und furchteinflößend zugleich.
    Mevary kam als letzter an Deck.
    Ächzend und schwankend, ein Gebilde aus zerfressenem Holz, Feuer und unbegreiflichen alten Kräften, bewegte sich das Schiff auf den See hinaus, während die ebenso alte Mannschaft wild die Ruder bewegte. Mevary stand wie angewachsen am Heck, das schmale Schwert immer noch in der Hand. Tabbit hatte sich langsam zum Bug begeben, wo sie schweigend auf den Altar und die Steinwerkzeuge blickte. Das Schwert in der Hand des Mannes blinkte ungesehen, unbeachtet in ihrem Rücken. Ihre grausamen, seelenlosen Augen, die diese Welt schon seit Äonen beobachtet zu haben schienen, glitzerten. Es war nicht das Licht einer Geburt, aber einer Auferstehung. Dich neben ihr begann Valia mit dem leisen und mitleidlosen Opfergesang. Diese geheimnisvollen Worte, wie das unverständliche>Oe<, hatten längst jede eigene Bedeutung verloren. Nur das Wesentliche blieb, und das, wenn man darum wußte, war erschreckend genug. Valia, die die Worte sprach und ihren Sinn kannte, war in eine ruhige, religiöse Entrücktheit verfallen.
    Ihre Stimmung hätte sich beträchtlich verändert, hätte sie gewußt, daß irgendwo, hoch über ihr, ihre blonde Cousine bei dem Licht von zwei Kerzen eine Botschaft las, nicht glauben konnte und wieder las.
    Das knirschende und leckende Schiff hatte die Mitte der Grotte erreicht. Es begann ziellos zu treiben, aber die Ruder und die Arme der alten Weiber hielten es ungefähr an diesem Punkt. Zwei der Schwestern hatten allerdings ihren Platz verlassen und schöpften das eingedrungene Wasser aus. Die Höhlenwände wölbten sich über ihnen wie eine Kuppel und verbreiteten ihr mattes, auf einzelne Stellen begrenztes, ewig gleiches Licht.
    Tabbit hob ihren mit Gold und Perlen gedeckten Kopf.
    »Also«, sagte Mevary scharf. »Zur Sache, Großmutter.«
    »Schhh«, erwiderte Tabbit, beinahe zärtlich. »Bald wirst du bekommen, was die Göttin dir zugedacht hat. Bald. Du darfst die Anrufung nicht unterbrechen. Die Worte müssen gesprochen werden. Die Hörner geblasen. Die Lieder gesungen.«
    Mevary bewegte sich mit verächtlicher Geschmeidigkeit über das schwankende Deck. Die rudernden Hexen schauten zu ihm auf, als er vorbeiging. Valias Stimme murmelte weiter und weiter.
    »Wie wollt ihr es anfangen?« erkundigte sich Mevary bei Tabbit, hinter der er jetzt stand, spottend und schwitzend. »Du hast mir von einer Höhle unterhalb der Wasserlinie erzählt. Benutzt ihr einen Magnet? Oder eine Angelrute? Oder wollt ihr den Schatz mit einem Zauberspruch heben?«
    »Schhh. Du wirst es sehen.«
    »Nichts da mit Schhh.«

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