Cyrion
Held dieser Stadt, unser Retter nach einer Ewigkeit. Aber der teuflische Pakt verschloß uns den Mund, und wir konnten Euch weder helfen noch warnen. Wie habt Ihr die Wahrheit herausgefunden?«
»Und was ist die Wahrheit?« fragte Cyrion unendlich milde, während er zwischen blutigem Schwert und blutigem Kopf stand.
»Die Wahrheit - daß das Ungeheuer nur ein Trugbild ist, geschaffen, um die Helden zu täuschen, die für uns kämpfen wollten, erschaffen von der Hexe, der Ihr den Kopf abgeschlagen habt. Jahrein und jahraus hat sie uns gepeinigt, des Nachts unsere Stadt durchstreift, sich von dem Fleisch und dem Blut meines Volkes genährt. Ein gnadenloser und grausamer Werwolf. Und wir hatten nur die eine schwache Hoffnung, eine Prophezeiung, die einzige Schwäche in dem teuflischen Pakt - daß ein heldenmütiger Reisender, den der Zufall in unsere Stadt führte, uns von ihr befreien könne. Aber immer verhexte und betörte sie diese Helden, zeigte sich ihnen mit Ketten, log, daß wir sie opfern wollten, verlockte jeden Mann zum Kampf mit einem Ungeheuer, das es gar nicht gab, außer sie beschwor es herauf. Und nach vollbrachter Tat gingen sie zu ihr, vertrauensvoll, und fanden den Tod. Mehr als zwanzig Helden sandten wir auf diese Weise in den Tod, denn wir waren hilflos und konnten ihnen nicht sagen, wo sich das eigentliche Böse verbarg. Und deshalb frage ich nochmals, Herr, wie habt Ihr die Wahrheit herausgefunden in diesem Sumpf aus Hexerei?«
»Kleine Dinge«, antwortete Cyrion lakonisch.
»Aber Ihr werdet sie mir aufzählen?« Memled hob sein tränennasses Gesicht, das jetzt einen Ausdruck fiebrigen Glücks zeigte.
»Daß ihr Kerker sich gleich unter meinem Zimmer befand, was höchst unwahrscheinlich war, wäre sie tatsächlich als Opfer für das Ungeheuer bestimmt gewesen. Ihre außerordentliche Schönheit, der ein Monat der Gefangenschaft und Angst nichts hatte anhaben können, und daß ihre Hand- und Fußgelenke keine Spuren der Fesselung trugen. Daß sie, obwohl eine Fremde, so gut über die Geheimwege und die Geschichte dieser Stadt Bescheid wußte. Interessanter noch, daß sie so gut über mich Bescheid wußte - ganz abgesehen von meinem Namen, von dem ich auch nicht einsehen konnte, warum ein Wächter ihn ihr genannt haben sollte - zum Beispiel, daß ich die Kleidung der Nomaden trug und daß sie mich für ansehnlich hielt, obwohl sie mich gar nicht gesehen haben konnte. Sie behauptete, sie habe meinen Schatten durch die Öffnung gesehen, aber nicht mehr. Sie kannte auch unseren Handel, Euren und meinen, als wäre sie dabeigewesen. Wollt Ihr noch mehr hören?«
»Jede Silbe!«
»Dann will ich noch das Ungeheuer erwähnen, das gar nicht echt sein konnte. Eine so laute Stimme, daß der Boden zitterte, und doch war das Haus unbeschädigt. Und das Geschöpf selbst so groß, daß es die Stadt in einen Schutthaufen hätte verwandeln können, und begnügte sich dennoch mit einer Höhle, in der es nicht einmal den Staub aufgewirbelt hatte. Es lagen keine Knochen herum und da war außerdem noch sein sauberer Atem, der wohl heiß war, aber rein. Eine Katze, die Ratten frißt, hat einen schlechteren Geruch. Und dieses Geschöpf, das angeblich Menschen fraß und ihr Blut trank und groß genug war, um den Himmel mit seinem Gestank zu erfüllen, wirkte so sauber wie ein frisch gescheuerter Topf auf dem Ofen. Schließlich trat ich in den Kerker und entdeckte, daß durch das Guckloch nichts von dem zu sehen war, was in diesem Zimmer vor sich ging, ganz zu schweigen von einem vorüberziehenden Schatten. Und, wenn Ihr es ganz genau wissen wollt, ich bemerkte auch die scharfen Zähne der Dame.«
Memled stand auf.
Auf halbem Weg zu Cyrion besann er sich und drehte sich zu den Wächtern um.
»Verkündet der Stadt, daß unsere Not ein Ende hat.«
Die Wächter eilten davon.
Memled trat neben Cyrion und starrte auf den Kopf, den Cyrion wohlweislich in eine passende Schüssel gelegt hatte, wo er langsam zu einem stinkenden Pulver zerfiel.
»Wir sind frei«, rief Memled. »Und der Schatz gehört Euch. Nehmt alles, was ich habe. Nehmt - nehmt dies, das Zeichen der Königswürde dieser Stadt«, und er griff nach dem Kragen aus dunklem Gold an seinem Hals.
»Unnötig«, meinte Cyrion leichthin. Er reinigte sein Schwert an einem Wandbehang. Memled störte sich nicht daran. Cyrion schob das Schwert in die Hülle. Memled lächelte, immer noch ein wenig rostig, aber sein Gesicht glühte vor Erregung. »Dann also die
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