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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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wolltet eine Geschichte. Ich habe Euch eine geliefert. Wo ist mein Gold?«
    »Um genau zu sein, ich wollte etwas über Cyrions Aufenthaltsort und seinen Charakter erfahren«, wandte Roilant ein.
    Der Soldat vertiefte sich in seinen Becher und hob nur den Kopf, um zu erklären:
    »Er hat Euch manches erzählt. Cyrion hat eine Schwäche für kleine Kinder. Und läßt sich von der schönsten Frau nicht hinters Licht führen.«
    Roilant runzelte die Stirn. Er nahm ein Goldstück aus seiner Börse und reichte es Esur, der sofort mit seinen überraschend weißen Zähnen darauf herumbiß.
    »Echt«, sagte er dann erfreut. »Ich danke Euch, großzügiger Herr.«
    »Warte«, krähte der Soldat. »Sag mir, was ist eine Gresha, eine Gerosha -«
    »Er meinte eine Gjirza«, erwiderte Roilant. »Ein Saiteninstrument, glaube ich.«
    »Aha«, sagte Esur. »Ich habe mich das auch immer gefragt.«
    Der Soldat nickte.
    »Herrlicher Weijn hier. Bring noch was davon. Denk dir noch eine Lüge aus, während du ihn holst.«
    »Die Geschichte ist wahr. Ich bürge dafür«, setzte Esur sich zur Wehr. »Ich hörte sie vor einiger Zeit auf einem Gewaltmarsch vom Sklavenmarkt in Cassireia.«
    »Vor einer Minute war es noch Heshbel.«
    Esur zeigte wieder die Zähne.
    »Wäre ich ein freier Mann...«
    »Bist du aber nicht«, sagte der Soldat und schleuderte den zu einem Viertel gefüllten Weinkelch nach ihm.
    Esur duckte sich mit ungewöhnlicher Behändigkeit, und der Becher, der während des Fluges voller geworden zu sein schien, landete auf dem Schoß des Gelehrten, der mit einem Schrei in die Höhe fuhr.
    »O Gott«, sagte der betrunkene Soldat und vergrub den Kopf in den Händen, zum Zeichen, daß er mit den kommenden Ereignissen nichts zu tun haben wollte.
    Es war Roilant, der die solchermaßen abgewälzte Verantwortung auf sich nahm, indem er aufstand, zu dem Gelehrten hinüberging und um Verzeihung bat. Der Gelehrte, der seine Gelassenheit wiedergefunden hatte, schüttelte den Wein aus seinem langen Gewand.
    »Es ist nichts. Ein Schreck, um meinen Eifer in diesem Streitgespräch nicht zu groß werden zu lassen; ein Fingerzeig Gottes, fürchte ich. Dieser Herr hier und ich befanden uns in einer ernsthaften Diskussion über verschiedene religiöse Lehren.«
    Der Weise auf der anderen Seite des Tisches hörte gar nicht hin. Er sah aus der Nähe ebenso struppig und unappetitlich aus wie aus der Ferne und verströmte einen schwachen, glücklicherweise nur einen schwachen, Geruch nach Ziege. Er war ganz in das Pergament vertieft, das er und der Gelehrte studiert hatten.
    »Trotzdem möchte ich mich entschuldigen«, sagte Roilant. »An meinem eigenen Tisch geht es etwas ungesittet zu. Ich habe mich nach einem Mann erkundigt -«
    »- namens Cyrion. Ja, ich habe ein oder zwei Worte mitgehört. Cyrion aus Cyroam. Oder wie manche sagen, von Nirgendwo.«
    »Ihr kennt ihn?« Der enttäuschte Roilant war jetzt vorsichtig und fühlte sich unbehaglich.
    Der Gelehrte berührte ein wundervoll emailliertes Amulett an seinem Hals. Sein Gesicht war von vornehmer Blässe und angenehm, trotz Falten und wettergegerbter Haut. Eine seiner schmalen, feingliedrigen Hände löste sich von dem Amulett und legte sich kurz auf Roilants Arm.
    »Es tut mir leid, daß auch ich Euch enttäuschen muß. Wie all die anderen habe auch ich Geschichten über Cyrion gehört. Aber ihn kennen? Ach, wie viele von uns können schon behaupten, gar sich selbst zu kennen?«
    »Allmählich«, sagte Roilant, »möchte ich verzweifeln.«
    »O nein, tut das nicht. Ich sehe, daß Eure dritte Flasche eben gebracht wird, sehr zur Freude Eures kriegerischen Freundes. Und bald wird das Mittagessen serviert. Das Lamm ist ausgezeichnet.«
    Roilants Erleichterung darüber, daß er hier etwas kultiviertere Gesellschaft gefunden hatte, war nicht zu übersehen.
    »Wollt Ihr mir beim Essen Gesellschaft leisten? Als Entschädigung für das plötzliche Eintreffen ungebetener Getränke.«
    Der Gelehrte lächelte.
    »Ihr seid sehr liebenswürdig. Ich nehme gerne an. Dieser weise Mann fastet und nimmt den Rest der Woche nur Wein, Milch und Wasser zu sich. Ich glaube nicht, daß er etwas essen möchte.«
    »Wie schade«, meinte Roilant ohne Bedauern.
    Der Greis blickte auf, bedachte ihn mit einem wirren, fanatischen Blick und kehrte mit einem Murmeln wieder zu dem Studium des Pergaments zurück.
    »Eigentlich gehört es mir«, gestand der Gelehrte, als er und Roilant zu dem anderen Tisch gingen. »Aber ich

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