Cyrion
Hand aus, faßte Cyrion am Arm und führte ihn aus dem Schlafzimmer hinaus.
»Habt Ihr gefühlt, wie Euch die Seele ausgesaugt wurde, mein wunderschöner Freund?«
Cyrions Gesicht hatte wieder Farbe bekommen. »Was führt Euch zu der Annahme, daß ich eine Seele habe?« fragte er heiter.
Ein besorgtes Stirnrunzeln trat an die Stelle von Juveds Lächeln.
»Es dauert mich, Euch auf diese Weise vernichten zu müssen«, sagte er. »Aber die Selbstsucht hat triumphiert. Ich möchte leben. Und obwohl mich die Verschwendung Eurer eigenen Lebenskraft bekümmert - was sein muß, muß sein. Der Reichtum magischen Wissens, den ich der Welt mitteilen kann, gilt mehr, als Eure vergängliche Schönheit und Fähigkeit. Gott wird mir vergeben.«
Juved barst beinahe vor Unternehmungslust. Sein Lächeln war fröhlich und wohlwollend.
»Ich habe Euch eine Geschichte erzählt, von Zilumi und Hraud und Hokannen. Soll ich Euch die Geschichte von Juved und dem Spiegel erzählen?«
Cyrion trat an das Fenster. Welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, war von seinem Gesicht nicht abzulesen. Aber er schaute aus dem Fenster wie unter einem Zwang, als hätte eine unsichtbare Geste, eine unhörbare Stimme aus der Oase ihn herbefohlen. Selbst der Himmel im Osten leuchtete jetzt wie ein in Feuer gebadeter Topas. Zwischen den von der Sonne gefärbten Bäumen, neben dem Wasser, das der Sonnenuntergang in Wein verwandelt hatte, stand etwas. Unbestimmt und klein, ein zwergenhaftes Ding, das nicht recht zu erkennen war. Ein Schatten? Ein weißer Schatten? Und der Platz, wo das Ungeheuer im Sterben gelegen hatte, war jetzt leer.
»Ich brachte den Bronzenspiegel Zilumis in meinen Besitz, ganz gleich wie«, sagte Juved, »da ich ihn für einige magische Experimente brauchte. Er war leicht zu tragen, außergewöhnlich leicht, und so makellos, wie Ihr ihn gesehen habt. Aber unglücklicherweise lag ein grausiger Fluch darauf, mit dem vielleicht die Hexenprinzessin selbst ihn in den Tagen ihrer Macht belegt hatte, daß nur sie allein Nutzen von seinen Kräften haben sollte. Seit dieser Zeit hatte er in einem Kasten gelegen, aus dem nur grimme Zaubersprüche ihn befreien konnten. Nachdem mir das gelungen war, war ich der erste, der in den Spiegel blickte. Sofort spürte ich eine Schwäche, ein Ziehen an meinem Innersten, als würde meine Seele gnadenlos aus meinem Körper gezerrt. Sobald dieses Gefühl nachließ, suchte ich voller Hast nach der Ursache. Diesen Turm, in dem ich mich zurückgezogen hatte, um in Ruhe und Abgeschiedenheit meine Studien fortführen zu können, hatte ich bereits mit schützenden Zeichen umgeben. Keine gefährliche Wesenheit konnte in ihn eindringen. Aber, als ich aus dem Fenster schaute, sah ich - ratet, was ich sah, schöner Schwertkämpfer!«
»Ich würde nicht wagen, es mir vorzustellen«, erwiderte Cyrion höflich, den Blick immer noch auf die Oase gerichtet.
»Vielleicht ist das klug von Euch«, sagte Juved. »Ich will Euch eröffnen, was ich sah. Ungefähr drei Meter groß, ein menschenähnliches Geschöpf, weiß wie geschmolzener Stahl, Haut und Knorpel, mit schwarzen Krallen - es lauerte dort unten, tobend und geifernd. Der Spiegel, seht ihr, raubte mir einen Teil meiner Selbst und schuf daraus das genaue Gegenteil von mir - so riesig und dürr, wie ich klein und rundlich bin, weiß für meine braune Haut, primitiv, barbarisch und wild, wo ich weltgewandt und furchtsam bin.
Aber ich bin kein Narr. Ich verriegelte die Türen des Turmes als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme und las in meinen Schriftrollen und Pergamenten, bis ich die genaue Natur dieses Geschöpfes herausgefunden hatte. So erfuhr ich, daß sein vordringlichstes Verlangen war, mich zu töten und mein Blut zu trinken, und daß es, war das vollbracht, aufhören würde zu existieren. Ich erfuhr, daß ich, selbst wenn ich so viel Mut besessen hätte, das Geschöpf nicht angreifen und töten konnte. Denn auch wenn ich herausfand, wie seiner Unverwundbarkeit beizukommen war, so bedeutete doch sein Tod auch den meinen, da wir beide eins sind, obwohl so verschieden. Zwei Mittel gab es, die ich anwenden konnte, um mich zu retten. Das eine davon wandte ich sofort an. Es besagte, daß ich durch Zauberei Unschuldige zu dieser Wasserstelle locken sollte, so viele, wie nur eben möglich. Auf diese Ahnungslosen stürzte sich das Ungeheuer, saugte ihnen das Blut aus und verschlang sie dann zur Gänze, Fleisch, Organe und Knochen. Nachdem sein abscheulicher Hunger
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