Cyrion
ausmacht. Ich bin erschöpft, guter Herr, und muß hier sitzen bleiben.« Cyrion füllte einen Becher und reichte ihn seinem Gastgeber. Juveds Hand zitterte und er lachte entschuldigend. »Vergebt mir meine Schwäche. Bitte schaut in das Nebenzimmer. Nehmt Euch, was Ihr wollt.«
Cyrion stieß die einen Spaltbreit offenstehende Tür weiter auf. Ein kleiner Teil des Raumes wurde von einem Bett in Anspruch genommen, den restlichen Platz belegten magische Statuen, Amulette, Tierfiguren und beschriftete Tafeln. Alle Stücke bestanden aus kostbarem Material, Gold und Silber, Onyx, Elfenbein und Jade. Aber an der Ostmauer, fast hinter der Tür verborgen, hing ein schmaler, ovaler Gegenstand an einem Haken. Dieses Oval leuchtete matt, obwohl es mit einem schwarzen Schleier verhangen war, der eigenartigerweise gerade als Cyrion sich umwandte, um den Gegenstand zu betrachten, zu Boden glitt.
Was er enthüllte, war eine Scheibe aus polierter, makelloser Bronze, die Cyrions Gestalt beinahe so genau wiedergab wie ein Spiegel.
»Also habt Ihr Zilumis Spiegel gefunden«, rief Juved. Seine Stimme klang frischer. Er strahlte. Zwar konnte er von seinem Platz aus den Spiegel nicht sehen, wohl aber Cyrion und vermutete anscheinend aus dessen Haltung, welcher Gegenstand seine Aufmerksamkeit fesselte. »Ist er nicht schön?«
»Die Nomaden haben ein Sprichwort«, entgegnete Cyrion. »Es ist schwer, durch einen Schleier hindurchzusehen.«
Juved schien besorgt.
»Aber ist der Schleier nicht von dem Spiegel heruntergefallen? Es ist meistens der Fall, wenn jemand das Zimmer betritt - bestimmt liegt es an der Zugluft.«
»Der Schleier ist gefallen«, sagte Cyrion. Er stand immer noch, in Gedanken versunken oder vielleicht auch nur eitel, vor dem fesselnden Spiegelbild seiner selbst. Aber er war ungewöhnlich blaß.
»Ihr erinnert Euch natürlich an die Geschichte von Zilumi«, schwatzte Juved vergnügt. »Wie ihr Stiefvater, König Hraud, den Propheten Hokannen in seinen Kerker werfen ließ und wie Zimuli, als sie den Propheten sah, von heftiger Liebe zu ihm ergriffen wurde. Sie war eine Zauberin, in deren Adern Dämonenblut floß, mit goldenen Augen und Haar von der Farbe dieses Bronzespiegels. Hraud begehrte sie, und eines Nachts flehte er sie an, gewisse erotische Tänze für ihn zu tanzen, die die Dämonen sie gelehrt hatten. Betrunken wie er war, versprach er ihr Juwelen und Reichtümer, und während sie sich immer starrsinniger weigerte, wurde er immer trunkener und lüsterner, bis er endlich vor Gott und seinem versammelten Hofstaat schwor, ihr für einen Tanz alles zu geben, worum sie ihn bitten würde. Dann tanzte sie. Und es war ein Tanz, erzählt man, bei dem erloschene Kerzen von selbst zu brennen anfingen. Als der Tanz zu Ende war, erinnerte Zilumi Hraud an sein Versprechen. Er lachte und fragte, was sie haben wollte.>Gib mir<, sagte Zilumi,>den Kopf Hokannens.Du hast vor Gott und deinem Hofstaat einen Eid geschworen. Den Kopf Hokannens und nichts anderes.Es ist fürjeden offensichtlich^ sagte sie,>daß du, wenn du mir das Haupt Hokannens gibst, mir auch sein Leben gibst.Dann<, fuhr Zilumi fort,>da du zugegeben hast, daß sein Leben mir gehört, möchte ich, daß er nicht getötet, sondern befreit wird. Cyrion hatte sich nicht bewegt.
»Ich kenne die Geschichte. Viele behaupten, etwas zu besitzen, das Zilumi gehörte.«
»Aber dieser Spiegel«, sagte Juved leise, »dieser Spiegel wird Euch beweisen, daß er ein Werkzeug des Bösen ist.«
Der Beobachter im Turm hatte inzwischen genügend Kräfte gesammelt, um sich der Tür zu nähern. Er streckte die
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