Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
geworden. Darf ich annehmen, daß der Baumeister entweder Euer Komplize oder Euer Spion ist und nach Beendigung seiner Geschichte die Schänke verließ, um Euch zu benachrichtigen?«
    »Natürlich könnt Ihr das annehmen. Aber es hätte auch der
    Wirt sein können. Oder einer seiner Sklaven. Oder die Dame, die das Gasthaus verließ, gleich nachdem Ihr es betreten hattet - die Dame, die manchmal Männerkleidung trägt. Oder vielmehr der Herr, der sich manchmal als Dame kleidet und das mit so atemberaubender Wirkung?«
    »Darüber nachzudenken, bin ich nicht mehr in der Lage. Ich begreife aber, daß Ihr in der Kleidung dieses Schnauzbarts zurückgekommen seid und mit seinem - Schnauzbart. Ich nehme an, Ihr habt ihm diese Kostbarkeit geraubt?«
    »Aber gar nicht. Ich schlug ihm eine Rasur vor und bot den gängigen Preis für abgeschnittene Schnurrbärte. Unser Freund nahm an. Der Rest der Ausstattung gehörte mir.«
    »Und ich, der ich überall nach Euch Ausschau hielt, glaubte, genau das zu sehen, was ich vorher auch gesehen hatte.«
    »Ein häufiger Irrtum. Aber Ihr habt mich davor schon übersehen.«
    »Der Gelehrte.«
    »Weit weniger bedeutend.«
    »Der Karawanenbesitzer.«
    »Liebe Güte. Das wird ja tatsächlich zu einem Ratespiel. Ich habe Euch das Essen serviert. Meine einzige Verkleidung bestand in einem Kopftuch und einem Hemd über der Rüstung. Ihr habt es nicht bemerkt, nicht einmal, als ich mich für Euer Lob über meine Taten in Teboras bedankte.«
    Roilant dachte zurück und verzog das Gesicht.
    »Ich schließe daraus, daß die Sklaven der Schänke von Euch bestochen waren.«
    »Nicht doch. Denen ist auch nichts aufgefallen. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu streiten, welcher ihrer zahllosen Schößhündchen einen Knochen bekommen sollte.«
    Roilant erkundigte sich ziemlich angriffslustig: »Und jede dieser Geschichten ist wahr? Sogar die remusischen Geister?«
    »Oh, ich denke, Ihr glaubt einen beträchtlichen Teil dieser Geschichten und all der anderen, die Ihr gehört habt. Oder würdet Ihr mich sonst so verzweifelt gesucht haben? Inzwischen glaube ich übrigens an Eure Aufrichtigkeit, was Euch vielleicht freut zu hören.«
    »Die Freude zwingt mich in die Knie«, bemerkte Roilant grimmig.
    »Knien kann auf die Dauer langweilig sein. Kommt mit zu dem Gasthaus, in dem ich logiere. Es erwartet Euch ein schattiger Hof, wo man gekühlten Wein serviert.«
    »Der>Adler    Zweites Vorwort: Der Olivenbaum
    Das Gasthaus>Der Olivenbaum    Roilant, der sich wohl bewußt war, daß Cyrion genauso gut hätte zu Fuß gehen können, und sich freute, daß ihm das erspart geblieben war, schwieg die ganze Zeit. Dafür studierte er den Gegenstand seiner nun doch noch erfolgreichen Suche mit betäubter und eher mißbilligender Neugier. Cyrion, der sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen an die Säcke gelehnt hatte und in den Himmel schaute, dessen Blau es bei weitem nicht mit seinen Augen aufnehmen konnte, wirkte so entspannt wie eine Katze. Inzwischen wußte Roilant, daß diese Haltung sich, wie bei einer Katze, innerhalb eines Lidschlags ändern konnte.
    Außerdem fiel ihm an Cyrions sonnengebräuntem linken Unterarm ein Metallreif auf, der in den Geschichten nicht erwähnt worden war. Oder vielleicht doch? Er bestand zu einem Drittel der Länge und halber Breite aus einem alt anmutenden, grünlich angelaufenem Gold - der Rest des Armbands war aus Silber. Je länger Roilant es betrachtete, desto mehr erinnerte es ihn an das Schmuckstück einer Frau, das für einen Mann passend gemacht worden war. War das kleinere Stück also der Reif, der Sabaras schmales Handgelenk geschmückt hatte?
    Das Gasthaus, weißgetüncht und von täuschender Einfachheit, konnte sich eines efeuüberrankten Innenhofs rühmen. Der Wein kam in einem kühlenden Mantel aus Schnee.
    Roilant trank und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er hatte so viel Zeit damit verbracht, zu erklären, wie dringend er dieses Abenteurers bedurfte, daß es jetzt schwierig war, zusammenhängend zu sprechen. Hier saß die Legende ihm gegenüber, so märchenhaft strahlend, wie es bei Sagengestalten aus Fleisch und Blut nur selten der Fall war.
    Cyrion selbst, wenn er ihn auch in keiner Weise entmutigte,

Weitere Kostenlose Bücher