Cyrion
war ihm auch keine Hilfe.
Nach einiger Zeit tauchte von irgendwoher eine braune Katze auf und rieb sich schnurrend an Cyrions Stiefel. Cyrion neigte sich zu ihr hinab und schien bald ganz in seine Beschäftigung versunken zu sein. Roilant mußte an die Geschichte von Berdice denken. Sie mußte der Wahrheit ziemlich nahe kommen.
»Es ist wohl an der Zeit«, meinte Roilant, »daß ich Euch erkläre, warum ich nach Euch gesucht habe.«
Entwaffnend inmitten der Katzenpfoten: »Ich bin ganz Ohr.«
»Laßt mich zuerst sagen, daß ich bereit bin zu zahlen - was immer Ihr wollt. Mit Münzen, Juwelen, anderen Waren - guten Taten. Was immer. Laßt mich auch noch erwähnen, daß meine Familie Verbindungen zum Königshaus hat. Verschwiegenheit würden wir zu schätzen wissen.«
Cyrion, der noch immer die Katze streichelte, blickte zu ihm auf.
»Ihr befürchtet, selbst zu einer Hauptperson in einer neuen Geschichte zu werden?«
»Vielleicht. Was ich wirklich meine, ist, daß die Hilfe, die Ihr mir gewährt, durchaus den Beifall König Malbans finden könnte, wenn ich auch von ihm selbst keine zu erwarten hatte.«
»Ihr hättet bei der Königinmutter vorsprechen sollen.«
»Die den jungen König beherrscht, während der König nur scheinbar die Stadt und das Reich Heruzala regiert. Das heißt, falls die berüchtigten, fanatischen Engelsritter nicht die eigentlichen Herrscher sind. Ja. Ich kenne die Gerüchte. Ich werde über Eure Ansichten hinwegsehen. Ohnehin hat mein Fall nichts mit Staatsangelegenheiten zu tun. Um es kurz zu machen, ich sehe mich zu einer teuflischen Heirat genötigt -« Roilant verstummte. Cyrion wartete. »Ich will alles der Reihe nach erzählen. Von Anfang an.«
Angefangen hatte es mit Eliset. Der wunderschönen Cousine Eliset. Mit ihr hatte es angefangen und sehr wahrscheinlich würde es auch mit ihr enden.
Es waren einmal (wie der Priester gesagt hatte) drei Brüder aus dem berühmten Haus Beucelair. Roilants Vater und Roilants zwei Onkel. Und die beiden Onkel hatten sich unbedacht an einer Hofintrige hier in Heruzala beteiligt, die von dem damaligen König, Malbans Vater, aufgedeckt wurde. Die Angelegenheit wurde gütlich geregelt. Die Verschwörer wurden begnadigt und legten einen neuen Treueeid ab. (Wenige Jahre später war der alte König in der Schlacht gestorben, während des letzten Krieges zwischen Heruzala und Kyros, bevor Malban auf Betreiben der Königin Frieden schloß.) Aber trotz Begnadigung und Treueschwur fielen die beiden Brüder in Ungnade, und daran änderte sich auch nichts, als der alte König starb. Ihr Vermögen schrumpfte, und auf der Rangleiter sanken sie immer tiefer.
Nur der dritte Bruder, Roilants Vater - der sich an der Verschwörung nicht beteiligt hatte - genoß weiterhin die Gunst des Königshauses und mehrte seinen Reichtum.
Als Eliset geboren wurde, war Roilant ein Jahr alt. Eliset war die legitime Tochter seines Onkels Gerris von Flor. Man mußte die Legitimität betonen, weil es da noch eine zwei Jahre ältere Tochter gab, die Frucht einer Liebschaft Gerris’ mit einer Dienerin. Diese Frau brachte er in einem kleinen Haus in dem nahen Cassireia unter - aber in dem Maße, wie seine Schulden wuchsen, verkam das Haus immer mehr zu einer kaum noch menschenwürdigen Behausung. Die Tochter wurde auf den aristokratischen Namen Valia getauft, legitimiert und in das Herrenhaus in Flor aufgenommen. Dort wuchs sie zusammen mit Eliset auf, die möglicherweise eifersüchtig auf diesen Eindringling gewesen war, den ihr Vater scheinbar bevorzugte. Auch was das Äußere betraf, gab es zwischen den beiden Mädchen keine Ähnlichkeit. Valias östliches Blut offenbarte sich in ihrer olivfarbenen Haut, den dunklen Zöpfen und einem frühreifen Körper. Eliset dagegen hatte Haare so gelb wie Narzissen, schneeweiße Haut und war knabenhaft schlank. Trotz dieser Unähnlichkeit standen beide in dem Ruf großer Schönheit.
Dann gab es plötzlich keine Vergleichsmöglichkeit me hr.
Als Valia elf war und Eliset neun, verschwand Valia spurlos.
Man war allgemein der Ansicht, daß sie von den Klippen hinter dem Haus gestürzt war, obwohl natürlich auch die Gerüchte aufkamen, die oft das Verschwinden eines Kindes oder jungen Mädchens begleiteten - Geister, Dämonen oder wandernde Zauberer hätten sie als Opfer oder Sklavin verschleppt. Allerdings hatten Diener sie auf den Klippen spielen sehen und kurz vorher noch ermahnt. Die Stelle war nicht sicher, das hatte man ihr immer wieder
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