Cyrion
Muster an Zurückhaltung. Sie deutete an, daß sie auf seine Ritterlichkeit vertraute. Sie brachte es zustande, daß er sich selbst ritterlich vorkam, ein für ihn so überwältigend neues Gefühl, daß er gar nicht recht wußte, was es denn war. Sie gab ihm den Glauben, klug zu sein, und einmal, als er eine Wespe tötete, die sie boshafterweise verfolgte, mutig. Er hatte sie für langweilig gehalten? Sie blendete ihn. Sie lachte glockenhell, wenn er einen Scherz versuchte. Sie gestand, daß sie unglücklich war und noch immer um ihren Vater trauerte. Sie war tapfer. Sie war ein Juwel. Sie war makellos. Und als er ging, weinte sie, ohne ihm gegenüber von der vorgesehenen Heirat erwähnt zu haben.
Roilant kehrte nach Hause zurück und verkündete, daß er sie mit Vergnügen nehmen wollte. Und verbrachte die nächsten drei Monate damit, im stillen Kämmerlein grausliche Gedichte über ihr schimmerndes Haar und ihre geheimnisvollen Augen zu verfassen.
Ihre Verlobung erfolgte auf brieflichem Wege. Wie es schien, war sie so feinfühlend erzogen worden, daß es das beste war, noch ein oder zwei Jahre zu warten. Roilant, am Boden zerstört und gleichzeitig erleichtert - seine große Liebe zu heiraten war eine erschreckende Aussicht -, war mit der Abmachung einverstanden. Ein Jahr verging. Ein zweites. Sie sandte ihm ein paar gepreßte Blumen mit einem kurzen Briefchen. Und einmal ein Paar billige Handschuhe, die nicht paßten. Er wußte, wie sie gestellt war, und hielt sie in Ehren. Dann wurde Roilant nach Westen geschickt, um seine lückenhafte Bildung zu vervollständigen, vertiefte sich in die Kultur jener kalten Länder und blieb geraume Zeit dem Königreich, das seine Vorfahren im Osten erobert hatten, fern. Als er auf die Besitzungen seines Vaters in Heruzala zurückkehrte, fühlte er sich welterfahren und sah seiner Vermählung mit Ungeduld entgegen. Die wenigen Frauen, die ähnliche Gefühle in ihm erweckt hatten, hatten nur die Erinnerung an Elisets Reize verstärkt.
Es gab Neuigkeiten. Der alte Mervary war gestorben. Der junge Mervary war eifrig damit beschäftigt, das wenige (sehr wenige), das aus Flor noch herauszuholen war, zu verschwenden.
Als er sich gerade aufmachen wollte, um zu retten, was noch zu retten war, sah er seine Pläne durchkreuzt. Sein eigener Vater, der gerade am Hof des jungen Königs weilte, hatte sich an einer eigentlich gar nicht ungewöhnlichen Jagdgesellschaft beteiligt. Diesmal aber stürzte er vom Pferd und schwebte in Lebensgefahr. Da er ein ausgezeichneter Reiter war, löste dieser Unfall einiges Erstaunen aus.
Roilant eilte zu der Stadt, wo sein Vater im Sterben lag, aber die rechte Trauer wollte sich nicht einstellen. Es gab keine Liebe zwischen Vater und Sohn und keine Bindung. Aber in einer solchen Stunde war es angemessen, so zu tun als ob, und beide gaben sich Mühe.
In einem abgedunkelten Zimmer des Palastes sprachen sie eine Zeitlang miteinander. Dann gab es eine überraschende Enthüllung.
»Hör zu, Junge«, sagte Roilants Vater, rückte sich schmerzerfüllt in (fern weichen Bett zurecht und unterdrückte einen Fluch, »du bist mein Erbe, und ich möchte dir einen guten Rat geben.«
»Ja, Vater?«
»Du erinnerst dich an deine Verlobung mit deiner Cousine Eliset?«
»Natürlich, ja, Vater. Ich wollte -«
»Tu es nicht.«
Verblüfft starrte Roilant ihn an.
»Tu es nicht?« stotterte er.
»Habe ich einen Papagei aufgezogen? Ich sage dir, tu es nicht. Es wurde noch nichts festgelegt. Eine kleine Bestechung hier und da, und die Sache ist vergessen.«
»Aber sie ist eine Beucelair und arm. Und du hast ihrem Vater und ihrem Onkel versprochen -«
»Und ich selbst habe ihr letzten Monat eine Nachricht geschickt und ihr mitgeteilt, daß ich dir von der Verbindung abraten werde.«
»Warum?«
»Warum?« Roilants Vater zog ein finsteres Gesicht. »Du hast etwas Besseres verdient. Einiges ist mir zu Ohren gekommen, und manches habe ich selbst herausgefunden. Du bist ein junger Mann mit festem Charakter. Im Herzen haben wir uns immer verstanden. Vertraue mir. Such dir ein nettes, häusliches Mädchen, das dich zu schätzen weiß. Eine mit einer ordentlichen Mitgift.«
Roilant öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber sein Vater unterbrach ihn erneut.
»Verdammt seien diese Schmerzen«, sagte er und starb.
Roilant vergoß zwei oder drei Tränen, hauptsächlich, weil es sich schickte, und teils, weil es oft niederschmetternder ist, jemanden zu verlieren, den man nie
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