Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
wunderschön geformte Blätter, das Grün ist satt und irgendwie macht das kleine Bäumchen einen unglaublich starken Eindruck. Als sei er sich seiner überraschenden Üppigkeit durchaus bewusst. Die Chinesen verehren diesen Baum. Sie setzen sich unter sein Blätterdach, schicken ihre Wünsche, Ängste, Sehnsüchte in seine Krone hinauf.
Ginkgobäume können tausend Jahre alt werden. Sie sind nicht totzukriegen.
Als am 6. August 1945 die Atombombe Hiroshima vernichtete und in Sekunden alles Leben hinwegfegte, wurde auch ein berühmter heiliger Tempel dem Erdboden gleichgemacht. Der Ginkgobaum, der vor den Tempeltüren stand, verkohlte vollends. Wie alles andere in der Stadt. Monate später aber zeigte er erstes Grün. Der Ginkgobaum hatte sich zurück ins Leben gekämpft.
Im nächsten Winter bleibt meinem Ginkgo das Treppenhaus erspart.
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J etzt ist es passiert. Jetzt haben sie auch im Sender gemerkt, dass ich alt bin. Zu alt, um mich noch weiter im Fernsehen zu zeigen. Nein, sie haben mir natürlich nicht gesagt, ich sei zu alt. Sie haben mich mit wohlwollender Eindringlichkeit gefragt, wie lange ich denn noch im Fernsehen auftreten wolle. Was aufs Gleiche hinausläuft. Ich hab’s nur nicht gleich begriffen. Eine ähnliche Frage hatte mir vor ein paar Jahren eine Moderatorenkollegin in einer Talkshow gestellt. Und ich habe mit dem Satz geantwortet: »So lange ich noch hochkomme.« Während meiner Volontärzeit beim ZDF hat mir der Journalist Hanns Joachim Friedrichs, einer, den ich schon fast verehrt habe, eines meiner wenigen journalistischen Vorbilder, eine interessante Warnung mitgegeben. »Hüte dich vor Ironie. Ironie wird in Deutschland nicht verstanden«, hatte er mir prophezeit. Er sollte recht behalten. Die ironische Formulierung mit dem Hochkommen fliegt mir gerade um die Ohren. Ich machte es mir zu einfach, wenn ich die Entscheidung allein dem Sender überließe, wann er mich aussortiert. Heißt es. Mit dem Hochkommen ist es in der Tat eine Last. Ich bin unbeweglicher geworden. Das ist sicher eine Frage des Alterns. Aber auch eine Frage der Lebenslust. Ich trinke, esse, genieße gern. Und gern übertreibe ich esauch schon mal mit der Lust. Ich kann nicht jünger werden, aber schlanker.
Ob ich bei »Zimmer frei« mit weniger Gewicht einen Salatkopf als Schnecke verkleidet besser, das heißt eleganter von A nach B transportieren kann, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich dreimal in der Woche in aller Herrgottsfrühe eine Stunde lang um einen See jogge. Mein Alter spüre ich dabei nicht.
Sicher sind Zuschauer von der Schneckennummer auch peinlich berührt. »Warum tut sie sich das in ihrem Alter noch an?«
Fremdschämen, das kann man so sehen.
Zählen auch die, die es anders sehen?
»Klasse, dass die in ihrem Alter noch jeden Quatsch mitmacht.«
Wessen bin ich angeklagt? Gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, das für Fernsehfrauen meines Alters gilt? Ein Verfallsdatum, eine begrenzte Haltbarkeit, wenn man im Jahr der Währungsreform geboren wurde? Währungsreform, was war das noch gleich?
Die Richter sind jung, die ihre Urteile über die Alten fällen. Jünger als die Angeklagten ganz sicher. Und der Schuldspruch ist eindeutig: Wer die sechzig überschritten hat, darf ungefragt von jedermann inner- und außerhalb der Medien als Oma und Opa bezeichnet werden. Ab sofort entscheiden andere, ob er/sie noch ansehnlich und fit genug ist, um in der Öffentlichkeit eine Rolle zu spielen. Mildernde Umstände sind nicht zu erwarten, selbst wenn es für die Angeklagten spricht, dass man ihnen von allen Seiten attestiert, »jung geblieben« zu sein.
Jung geblieben? Jungsein als das einzig Erstrebenswerte? Was wissen die, die nur jung sind und noch nie alt waren, von den feinen Unterschieden? War es ausschließlich wunderbar, dass ich mich als junge Frau hin und wieder maßlos überschätzt und ordentlich Lehrgeld bezahlt habe? Dass ich mich in der Richtung geirrt habe und auf Holzwegen unterwegs war? Dass ich Stoppschilder mutwillig übersehen habe und erst durch Schaden klug geworden bin?
Wieso wird über die Alten bestimmt, als seien sie selbst nicht mehr in der Lage, zu entscheiden, was ihnen noch guttut und was nicht?
Als der Bayerntrainer Jupp Heynckes von seinem Verein gegen den jüngeren Pep Guardiola eingetauscht wurde, hat er am Saisonende laut darüber nachgedacht, was er als Trainer – erfolgreich wie kaum ein anderer – nach seiner Bayernzeit noch alles machen könne.
»Etwas
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