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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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ich meine, er ahne, was ich denke. Es ist seine zurückhaltende Zudringlichkeit, die ebenso unverbindlich wie lockend ist und der gegenüber ich in mir eine wundersame Verwirrung entdecke.
    Wir lassen uns mit der Menge zum alten Stadion neben dem Tempel treiben. Melanie ist schlecht, sie übergibt einen mit Currywurststücken durchsetzten Schwall Bier unter die Osttribüne. Kaminski verabschiedet sich auf einen Absacker ins Kneipenviertel und bringt sie auf dem Weg dorthin zur U-Bahn, Taschentücher reichend.
    Thorsten holt uns zwei Bratwürste «Rote Erde», für ihn mit Senf, für mich mit Ketchup. Aus dem Biergarten nebenan klingt krachend «Highway to Hell».
    «Und, wie fandest du dein erstes Mal?», fragt Thorsten und wischt sich mit einer Serviette Gelbes aus dem Mundwinkel.
    «Gut», sage ich und strahle dabei übers ganze Gesicht, ich kann es nicht unterdrücken.
    «Tatsächlich?»
    «Du nicht?»
    Er brummt. «Na ja.»
    «Die Stimmung war aber doch super.»
    «Schon. Aber die ganzen Asis – nee, lass mal.»
    «Findest du, dass die Leute hier asi sind? Ich find eher, sie sind einfach nur prollig.»
    «Nenn’s, wie du willst.»
    Mein Handy vibriert. Eine SMS von Björn. «hey süße. noch lust auf ne schachtel bier? stehe vor dem strobels und vermisse dich.»
    Ich sehe mich um, stelle mich auf Zehenspitzen, gehe ein Stück vor und zurück, doch kann ihn nirgendwo entdecken.
    «Auf der Suche nach der Zahnfee?», fragt Eichhörnchen.
    «Mein Freund muss hier irgendwo sein.»
    «Du hast einen Freund?» Er lässt sein Würstchen sinken und starrt mich an. «Davon hat Katrin mir gar nichts erzählt.»
    «Erzählt ihr euch sonst alles über mich?», frage ich und bin erschrocken, wie unbeabsichtigt scharf der Ton in meiner Stimme klingt.
    «Nun ja. Es ist ja keine unwesentliche Information.»
    «Für wen?»
    «Für mich.»
    «Warum das?» Ich sehe ihn an, vielleicht ein bisschen zu böse, denn er senkt den Blick. Seine Eichhörnchenhaare haben sich mit dem Schweiß des Tages auf seine fahle, sommersprossige Kopfhaut gelegt. Er wickelt den Rest seiner Wurst in seine Serviette und wirft beides in einen Mülleimer.
    «Ich gehe dann jetzt mal nach Hause», sagt er. «Du weißt, wo du langmusst?»
    «Sag mal», sage ich und zögere kurz, blicke zu Boden, schlucke und sehe ihn an, wieder errötet, schamhaft, verärgert, ungewollt schüchtern. «Was willst du von mir?»
    «Was sollte ich wollen?»
    «Irgendwas ist doch.»
    «Was sollte sein?»
    «Stell doch nicht immer eine Gegenfrage.»
    «Ich möchte jetzt nach Hause. Ich habe die Schnauze voll – von Fußball. Und außerdem kriege ich noch Besuch.»
    «Eben hast du mich noch gefragt, ob ich nach dem Spiel etwas vorhabe.»
    «Da vorne ist dein Freund», antwortet er und deutet mit dem Finger in meinen Rücken.
    Ich drehe mich um. Björn trabt wippend auf mich zu, umarmt mich und gibt mir einen schmatzenden Knutscher auf die Lippen. Ich lasse mich küssen, bütze hasenherzig zurück.
    Björn sagt: «Das war ein Mist, oder? Meine Güte, war das ein Scheißspiel! Kein guter Einstand für dich.»
    «Dann mach’s mal gut», sagt Eichhörnchen. «Bis Montag.»
    Erst jetzt wird Björn seiner gewahr, lässt mich los und reicht ihm die Hand. «Björn», sagt er.
    «Thorsten», sagt Thorsten.
    «Bis Montag», sage ich, «und viel Spaß mit deinem Besuch.»
    Thorsten hebt die Hand zu einem Winken, es ist das Winken von Lukas, dem Lokomotivführer, aus der Augsburger Puppenkiste, fahrig und beiläufig.
    «War das dein Nerd-Kollege?», fragt Björn.
    «Das Eichhörnchen.»
    «Ein ulkiger Typ.»
    «Weil er kein Macker ist?»
    «Du verteidigst ihn doch nicht etwa, oder?»
    «Er ist nur mein Kollege.»
    «Na klar.» Er küsst mich erneut.
    «Wo sind deine Kumpels?»
    «Im Strobels. Aber da ist es jetzt zu voll. Lass uns woanders hingehen. Kuscheln. Sex machen.»

    «Hattest du noch einen schönen Abend?»
    Thorsten steht mit seiner Kaffeetasse im Türrahmen und lehnt sich gegen das Holz. Sein schütteres Haar ist noch zerzauster als sonst, steht nicht nur in Eichhörnchenpinseln von der Stirn, sondern auch über den Ohren ab. Er sieht aus wie ein geplatztes Kissen.
    «Darf ich mal? Guten Morgen!» Melanie schiebt sich von hinten an ihm vorbei, schleudert ihre Handtasche auf den Schreibtisch und reißt den Reißverschluss ihrer Jacke auf. «Alta, ging’s mir schlecht gestern. Hab noch den ganzen Tach Bröckchen gehustet. Und ihr so?»
    «Lag vielleicht am Bier», sage ich zu

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