Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
Vom Netzwerk:
Schnecke: «Sie meint bestimmt tote Hose.»
    Wir biegen um die Ecke. Auf der Straße vor der Kirche liegt tatsächlich ein totes Pferd. Mittendrauf liegt es, groß und weiß und auf der Seite. Es blutet den Rinnstein voll. Daneben stehen ein zerbeulter GTI und eine weiße Kutsche. Pferd und Kutsche gehören offensichtlich zu einer Hochzeitsgesellschaft, die jetzt gerade in der Kirche, also vor uns, zugange ist.
    «Sauber», denke ich. «Da hat jemand den Zossen der Braut totgefahren.»
    Wir stehen eine Weile mit laufendem Motor da. Wir können nicht weiterfahren, denn die Straße ist voller Pferd. Dann geht die Kirchenpforte auf, Hochzeitsmarsch, und das Brautpaar tritt heraus. Hinter uns kommt die Polizei mit Blaulicht. Wir fahren rechts ran. Blumenkinder werfen Rosenblätter. Lächeln, Händeschütteln, Gratulation. Das Pferd ist weiterhin tot.
    Brautpaar und Anhang werden auf den Trauerfall aufmerksam und versammeln sich um den Gaul. Die Braut bricht augenblicklich in hysterisches Geheule aus und ähnelt binnen Sekunden Alice Cooper. Jemand singt: «Da hat das tote Pferd … sich einfach umgekehrt …» Die Blumenkinder beginnen ebenfalls zu weinen. Das Pferd glotzt milchig in die Runde.
    Bis der Leichnam von der Straße runter ist, dauert es eine Weile. Die Polizei nimmt den Unfallhergang auf. Ein Gabelstapler kommt und bringt das Pferd fort. Der Kutscher mimt den Zossen und zieht seine Kutsche selbst nach Hause.
    Als zwei Stunden später unser Brautpaar in seiner Limousine um die Ecke biegt, zeugt nur noch geronnenes Blut von den Geschehnissen. Wir haben in der Zwischenzeit die Kirche geschmückt und sitzen andächtig in der Bank. Die Ruderer marschieren geschlossen ins Gotteshaus, ein Einmarsch der Gladiatoren. Katrins Mund steht offen, Rosi fallen fast die Augäpfel aus den Höhlen, Lisa und Lucy schauen sich an und grinsen. Wir haben nicht zu viel erwartet, nein, wir haben zu wenig erwartet, unsere Vorstellungen reichten für dieses Bild nicht aus. Die Ruderrecken tragen allesamt Anzug, große Anzüge, sehr stattliche Anzüge, sind eins fünfundneunzig und größer, sehr groß.
    Kerstin ist die schönste Braut, die je dagewesen ist, groß, in einem Kleid, das ihr vom Körper fließt, die Haare fluffig hochgesteckt. Kinga und Alina tupfen sich Tränen vom Unterlid und schnäuzen sich leise.
    Nach der Trauung, wir warten vor der Kirche, sage ich zu Rosi: «Der da vorne.»
    Ich zeige ihr mit meinem Blick einen Ruderer mit blauer Krawatte, Wuschelhaar und Dreitagebart. Lucy, die neben uns steht, sagt: «Der sieht aus wie dieser Typ aus
Hangover

    «Bradley Cooper!», ruft Rosi.
    Bradley steht in einer Reihe mit den anderen Jungs und hält ein Ruderblatt in die Höhe. Zu zehnt bilden sie eine Allee für das Brautpaar, zehn stramme Gladiatoren. Wir wischen uns mit dem Handrücken verstohlen Speichel aus dem Mundwinkel. Rosi starrt wie ein Reh im Scheinwerferlicht, kurz bevor es überfahren wird.
    Im Festsaal sitzen wir am Tisch links vom Brautpaar. Die Ruderer sitzen rechts, die gesamte Verwandtschaft trennt uns, drei mit Plastikefeu geschmückte Säulen versperren uns den Blick. Kerstin und Matze werden sich etwas dabei gedacht haben, wollten sich und uns möglicherweise Peinlichkeiten ersparen; wie werden das trotzdem anprangern. Iosif spielt ungeduldig mit seiner Serviette, er hat Hunger und ist verstört angesichts unseres Enthusiasmus.
    Gereizt moppert er: «Die Jungs sind alle zwei Meter groß – sind die zu doof zum Basketball, oder was? Die fahren rückwärts, und ein Zwerg sagt ihnen Bescheid, wenn sie im Ziel sind. Da steht ihr doch nicht etwa drauf, oder?»
    Wir bleiben unbeeindruckt.
    Nach dem Essen zeigen Freunde der Braut auf einem kinoleinwandgroßen Betttuchgehänge Jugendbilder des Hochzeitspaares: die Braut beim Handball, der Bräutigam beim Rudern, beim Jubeln im Deutschlanddress und zu guter Letzt mit den Jungs bei einem Klimmzugwettbewerb, alle mit nacktem Oberkörper und angespanntem Latissimus. Wir verlangen an der Theke nach Eiswürfeln, um uns runterzukühlen.
    Gegen 22 Uhr starten wir die «Mission Bradley». Wir erfahren von der Braut, dass Bradley Stefan heißt und Arzt ist.
    «Arzt!», entfährt es unseren Mündern, begleitet von einem schrillen Schrei.
    «Wie in einem schlechten Film», sagt Rosi.
    «McDreamy», kommentiert Lisa.
    Katrin sagt nur stumpf: «Ich bin raus», denn ihr Exfreund ist Arzt – seitdem stehen Ärzte bei ihr auf der schwarzen Liste, nur Veterinärmediziner

Weitere Kostenlose Bücher