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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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hören, was sie sagt.
    «Aber …», versuche ich es noch einmal, suche nach Worten. «Man erzählt doch schon mal von seinen Kindern.»
    «Vielleicht habe ich das, und du warst nicht da. Oder du hast nicht zugehört. Oder du hast es einfach überhört, weil du es mir nicht zugetraut hast.»
    So langsam bin ich wieder bei Sinnen. «Jetzt hast du mich schon wieder umgehauen», sage ich und atme einmal tief durch. «Aber immerhin habe ich jetzt konkrete Fragen.»
    Er lacht. «Jetzt würde ich dich gerne noch einmal küssen», sagt er, beugt sich vor und lehnt sich mit den Ellbogen auf den Küchentisch.
    «Nee», sage ich und lasse mich in die Lehne meines Stuhls fallen. «Jetzt erzählst du mir erst mal von Mareike. Und von ihrer Mutter.»
    «Na gut.» Er lehnt sich ebenfalls im Stuhl zurück, legt das linke Bein auf dem rechten ab und wiegt das Weinglas in seinem Schoß. «Mareikes Mutter heißt Jana. Wir kennen uns schon seit der Schule, sind nach dem Abi zusammengekommen. Im Studium ist Jana schwanger geworden. Es war nicht geplant, aber es war okay. Am Anfang hat alles gut geklappt. Aber nach der Uni haben wir uns getrennt. Es hat einfach nicht mehr funktioniert. Wir haben uns beide zu sehr verändert. Ohne dass wir es bemerkt haben. Mareike hat von Anfang an in zwei Wohnungen gewohnt, drei Tage bei mir, vier Tage bei Jana. Nach Absprache natürlich, mit festem Rhythmus. Na ja, nicht ganz, hat nicht immer geklappt. Aber im Großen und Ganzen. Weißt du, ich stehe nicht darauf, wenn Männer sich nicht um ihre Kinder kümmern.»
    Er macht eine Pause, nimmt noch einen Schluck aus seinem Weinglas, gießt sich nach. Dann sagt er: «Mareike hat noch zwei Brüder. Jana hat schon ziemlich bald, nachdem wir uns getrennt haben, jemand Neues kennengelernt und geheiratet.»
    Wieder schweigt er. Ich sage nichts, möchte, dass er weiterredet, wüsste auch nicht, was ich fragen sollte. Oder doch: Ich habe viele Fragen – plötzlich. Aber der Moment ist verletzlich, meine Stimme passt jetzt nicht hierhin.
    «Zurzeit», fährt Thorsten fort, «ist es ein bisschen anstrengend mit Mareike. Sie ist dreizehn. Schwierig. Wenn ihr bei Jana etwas nicht passt, kommt sie zu mir. Wenn sie bei mir etwas nicht darf, geht sie zu Jana. Sie spielt uns gegeneinander aus. Oder versucht es. Na ja, du kannst es dir bestimmt vorstellen. Wir versuchen, uns so gut wie möglich abzusprechen. Mareike ist genervt von ihren kleinen Brüdern. Sie sind acht und vier. Ich kann sie verstehen, ich hätte an ihrer Stelle auch keinen Bock, der Kleine ist echt anstrengend. Aber ach … eigentlich ist sie super. Es gibt anstrengendere Teenager als Mareike. Wirklich.»
    Die Musik im Kinderzimmer ist von Rock in Rap übergegangen. Mareikes Stimme ist verstummt. Über mir tickt eine Uhr. Der Kühlschrank springt an.
    «Sie hat alles doppelt. Einmal bei mir, einmal bei Jana. Bett, Schreibtisch, ein paar Klamotten. Meist ist allerdings nicht das hier, was sie grad anziehen will. Oder sie ist bei Jana und ruft mich an, weil ich ihr ihren Pulli vorbeibringen soll. Mache ich natürlich nicht. Ist ihre Sache. Sie muss lernen zu planen.»
    Am Kühlschrank, jetzt sehe ich ihn erst: Mareikes Stundenplan, mit Schmetterlingen am Rand. Daneben, festgehalten von Magneten: Fotos von ihr und Thorsten. Ein Haushaltsplan. Ein Einkaufszettel mit Milch, Bananen, Shampoo. Hinter «Cornflakes» drei Ausrufezeichen. Neben dem Zettel die Telefonnummer von Jana.
    «Hattest du nach Jana andere Frauen?»
    «Na klar.»
    «Aber nichts Richtiges?»
    «Doch. Auch etwas Richtiges. Deshalb verstehe ich, dass du Zeit brauchst.»
    «Und deine letzte Beziehung?»
    «Ist zwei Jahre her. Bis jetzt wollte ich auch nichts Neues. Wir waren fünf Jahre zusammen. Fünf gute Jahre.» Thorsten wiegt seinen Kopf, lächelt, hebt das Weinglas. «Wir sollten das austrinken und ins Bett gehen. Morgen ist Kaminski-Tag.»
    «Ja», sage ich, meine es aber nicht.
    «Ich rufe dir ein Taxi», sagt er. «Du hast zwei Gläser Wein getrunken. Du solltest nicht mehr Auto fahren.»
    «Weiß nicht», sage ich. «Wie viel Uhr ist es? Es fährt bestimmt noch eine Bahn.»
    «Neun.»
    Ich zögere, halte inne, möchte nicht fort. Ich blicke über Thorstens Kopf hinweg zur Tür. Dort steht Mareike, einen Haufen Wäsche im Arm.
    « 60 Grad?», fragt sie. Ich sehe, dass sie eine Zahnspange trägt.
    Thorsten dreht sich zu ihr um. « 40 . Aber nicht mehr heute. Sonst beschweren sich Tenhages wieder. Steck sie nur in die Trommel, wir

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