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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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überaus gefürchtete Oberstaatsanwältin und DDR-Justizministerin der fünfziger Jahre.
    Vorurteile, Vorurteile, sagte da Corzelius, doch Mannhardt blieb dabei, daß er die Wuthenowsche höchst entsetzlich fände und Krämpfe kriege, wenn er daran denke, wie es wohl wäre, müßte er mit dieser Dame den Koitus ausüben. («Meinste nich, daß die Frauen sich vor dir genauso ekeln?» fragte er sich allerdings im selben Augenblick.)
    Corzelius stellte sich und Mannhardt höflich vor, und sie wußte natürlich Bescheid («…das Interview, ja…»), traf aber keinerlei Anstalten, sie einzulassen, sondern sagte nur unfreundlich und abweisend, daß ihr Mann leider nicht zu Hause sei, sondern irgendwo in Dolgenbrodt herumschwirre, Fische zu kaufen.
    Mannhardt erklärte ihr, weswegen sie hier seien und worin ihr Problem läge, daß sie sich voll und ganz auf den annoncierten Fährbetrieb verlassen hätten und nun wie die begossenen Pudel dastünden.
    «… ob wir uns wohl ganz kurz einmal Ihr Boot ausleihen könnten, um unsere Truppe ans andere Ufer zu bringen, zu unsern Autos rüber…?»
    «Da müssen Sie schon auf meinen Mann warten, ich hab da keine Ahnung von…»
    «Bei dem Regen, da…» Corzelius ließ klar erkennen, was er meinte, was er wollte: im Warmen warten, blickte deutlich Richtung Datsche.
    «Sie müßten doch selber wissen, daß das… Guten Tag!» Sie drehte sich um und ging zu ihrer Pumpe zurück, stampfte, rumste.
    Corzelius tippte sich sachte an die Stirn: «Mensch, Verbot von Westkontakten!»
    «Stimmt, hätt’ ich mir auch denken können…»
    So schlichen sie zurück im Nebelregen und fielen dann aus allen Wolken, als sie am verlassenen Fährhaus, wen wohl, im Gespräch mit ihrer Gruppe fanden: Wuthenow, den roten Grandseigneur, ein bißchen Berthold Beitz, ein bißchen auch Stewart Granger, obwohl doch märkisch-knorrig auch, der Bamme aus Fontanes Vor dem Sturm, der ja, wie Mannhardt wußte, dem Zieten nachgebildet war. Wuthenow mit einem Wort, von Siegfried eben angehauen, ob er sie nicht eben mal für zwanzig Märker West…?
    Großes Hallo, und Wuthenow hatte keinerlei Berührungsängste, wurde ja im Gegenteil bezahlt dafür, bei Westlern Sympathien zu wecken für sich und seine Republik, die immer respektabler wurde.
    Nur wenige Worte waren noch zu wechseln, dann schwang er sich aufs nahebei geparkte Rad und fuhr zu seiner Datsche, war fünf Minuten später mit seinem Schifflein, nach Jack London «Snark» genannt, bei ihnen am Steg und fuhr sie in drei Dreiergruppen ans Auto-Ufer hinüber.
    Die anderen waren schon vorausgeeilt, wollten sich im Autoinnern wärmen, als Corzelius sich bei Wuthenow noch einmal für die Fährmannsarbeit bedankte.
    Wuthenow nickte und hielt Corzelius’ Hand noch zwei, drei Augenblicke fest. «… und wie geht’s der Mutter meines Kindes…?»
    «Danke, gut.»
    «Und Yemayá selber?»
    «Auch. Jessica hat zwar im Augenblick viel mit ihren Drehbüchern zu tun, ‘ne neue Vorabendserie – Doris Müller, Taxifahrerin – , aber solange ich mir meine Arbeitszeit so in etwa selbst einteilen kann, da…»
    «Danke…!» Wuthenow ließ die Hand wieder los und umarmte ihn. «Und unsere Version…?»
    «Die haben uns ganz sicher alle abgekauft: Ich gelte überall als wunderbarer Vater. Scheint aber so, als ob Yemayá, je älter sie wird, immer mehr Ähnlichkeit mit Ihnen bekommt. Ganz der Papa…»
    Wuthenow lächelte. «Noch wäre eine Tochter im Westen tödlich für mich, aber im Jahre 2002, da könnte sie schon Gold wert sein…»

 
    4.
     
     
     
    Gegen 18 Uhr 30 erreichten sie das Schönefelder Kreuz und rollten auf einem letzten Autobahnstrahl Richtung Norden, erblickten schon bald am grau-grauen Horizont die Hochhausspitzen der Gropiusstadt, Westberliner Zeichen also, Liebesgrüße aus Britz – Buckow-Rudow. Da, wo die alte «Frontstadt» mit ihrem südlichsten Keil weit ins real-sozialistische Land hineinragte, befand sich der zentrale DDR-Flughafen, Berlin-Schönefeld, mit zwei spektakulären Abstürzen, Mitte der sechziger Jahre und erst vor kurzem wieder, überall publik geworden. Seine Main Hall, mehr als provinziell in allem, lag, nur von Straße und Bahngelände getrennt, fast unmittelbar der Grenze gegenüber, und viele Westler kamen jahraus, jahrein hierher, um die Billig-Tarife zu nutzen.
    Spätestens als sie die grau-roten Heckflossen der Interflug- Maschineerblickten, beschlich die neun Wanderer in ihren beiden B-Nummern-Wagen ein

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