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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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kindlich-ängstliches Gefühl, die bange Erwartung, nun bald von stoisch-kühlen Kontrolleuren in die Mangel genommen und möglicherweise wegen irgendwas erwischt zu werden. Wer hundert Einheiten positiver Eindrücke aus der DDR mitbrachte, und sie standen ihr ja alle sehr offen gegenüber, der verlor hier an der Grenze wieder hundertzwanzig davon; so ihre Einschätzung der Lage.
    Vieles war nun zu bedenken, war falsch zu machen, konnte «Konsequenzen» haben.
    Da war zuerst das umgetauschte, aber nicht verbrauchte Geld der DDR, das «Ostgeld», das sie in der Tasche trugen. Wie und wo hätten sie es bei der heutigen Wanderung ausgeben können? Vielleicht Wuthenow, einem Spitzenfunktionär, für seine Fährdienste schenken? Unmöglich. Also hatten sie alles gesammelt, und Siegfried war beauftragt worden, es an der Grenze auf sein Sonderkonto einzuzahlen, wieder abhebbar zu allen Zeiten. Das war noch in Dolgenbrodt am Sammelpunkt Friedhof geschehen, doch als Horst jetzt kurz vor Schönefeld in seine Jackentasche faßte, kamen drei Alu-Münzen zum Vorschein. Was tun? Behielt er sie und verneinte dann die obligate Zöllnerfrage an der Grenze, ob er noch Zahlungsmittel der Deutschen Demokratischen Republik mit sich führe, so gab es, sollte er wirklich, warum auch immer, am Leibe visitiert werden, erheblichen Ärger. Sie Siegfried nachzureichen war schlecht möglich, weil der im anderen, in Steffis Wagen saß, und er hätte auch alles neu abrechnen müssen.
    Was also tun? Die drei Münzen flogen aus dem Fenster, und Mannhardt fürchtete, daß dieses Delikt gegen die Notenbank der DDR noch böse Folgen haben werde. «Ist doch deren Schuld, daß sie so ‘n Theater machen, wenn man ihr Geld mitnehmen will.»
    Mehr Sorgen als die Devisenfrage machte ihnen ihr jahrelang im Westen antrainiertes Unvermögen, bei Begegnungen mit der Staatsmacht auch mal den Mund halten zu können. Aber die DDR-Organe mochten das nun gar nicht leiden; «Räsoniere Er nicht!» Schon bei der Einreise hatte Corzelius ihren Zeitplan gefährdet, als er auf die Grenzer-Frage, ob er Waffen mit sich führe, geantwortet hatte: «Ja, geistige!» Stummes Entsetzen des jungen Mannes und dann ein wütendes «Warten Sie hier!», als Stefanie bei seinem Kollegen auf dieselbe (dumme) Frage noch einen draufsetzte: «Wieso, brauch ich denn in der DDR auf den Straßen irgendwelche Waffen? Ist doch alles so sicher hier…» Schnelle Schritte in das Büdchen zum Genossen Leutnant hin, das Strafgericht in Gang zu setzen. Doch der war, was’n Glück für sie, nicht nur ein an sich humorvoller Mensch, sondern auch noch voll auf die Imageverbesserung à la Honecker aus, lachte nur und fragte, ob sie noch mehr solcher Sprüche drauf hätten, vielleicht sogar die neuesten Kanzlerwitze. Hatten sie – und entgingen der üblichen Bestrafung: «Fahren Sie mal rechts raus…» (Wartezeiten bis zu anderthalb Stunden).
    Aber ob es ihnen auch auf der Rückreise gelang, auf solche Art und Weise der Strafbank zu entgehen?
    Schon beim Ausfüllen der Formulare konnte man so manches falsch machen. Auf der grünen Ausreisekarte beispielsweise. Beim Reiseziel in der DDR hatten sie alle und ja korrekterweise «Touristik Kreis Königs Wusterhausen» hingemalt, doch da gab es ganz unten noch die Rubrik Weitere Reiseziele in der DDR (Name und Anschrift) … War da anzugeben: Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Wuthenow…? Ja, sie hatten ja mit ihm kontaktet. Nein, denn – so Corzelius sehr sophisticated – seine Datsche sei ja nicht ihr Reiseziel gewesen, nur der pure Zufall hätte ihre Begegnung bewirkt. «Egal, wir haben aber!» sagte Horst, der in solchen Sachen sehr pedantisch war. «Und außerdem: wir sind ja höchstwahrscheinlich verfolgt worden, die ganze Zeit über beobachtet… Und wenn wir’s jetzt verschweigen, machen wir uns doppelt verdächtig.»
    «Und wenn wir’s reinschreiben, erst recht!» beharrte Dieter. «Denn Wuthenow, den kennt doch hier jeder von der Politschulung her.»
    Man hatte abgestimmt, und die Mehrheit war für Verschweigen gewesen; doch nun zitterten sie alle.
    Dann gab es noch zwei kleinere Probleme, die beide Jürgen betrafen. Der rot-weiße Pfahl, der das Sperrgebiet markierte, und die Bananenschale darauf; natürlich hatte er da einen Schnappschuß gemacht, obwohl sie im Merkblatt aufgefordert wurden, «unbedingt einige Fotografierverbote» zu beachten, so neben Bahnanlagen und Bahnhöfen auch «militärische Einrichtungen, Marschkolonnen, diensttuende

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