Da hilft nur noch beten
der schon guckte…!
Mannhardt war sich sicher, daß sie solches dachte, und es war ihm mächtig peinlich. Bis zum hintersten Schrank trat er deswegen zurück, die Hände auf dem Rücken verschränkt und um das gütige Lächeln einer Diakonissin bemüht. Andererseits verspürte er natürlich ganz deutlich den Drang, ihr den Rock hochzuschieben, ihren kleinen Arsch in die Hände zu nehmen, ihren Körper an sich zu pressen und seinen Stengel zumindest zwischen ihre Schenkel zu schieben, hatte dieses Bild so kräftig vor Augen, daß seine Erektion ihn zwang, plötzlich auf einen nahebei abgestellten Stuhl zu fallen.
Sie sah ihn an, als hätte sie es mit Klaus Kinski zu tun.
Mannhardt bemühte sich nun um eine hölzern-nüchterne Sprache. «Sie wissen ja sicherlich, daß ich für zwei Jahre als Lehrbeauftragter zur HÖV nach Bramme gehen werde…» (…einfach zum Essen einladen, mal versuchen, ob sie nicht…) «…äh, und da fehlt mir noch einiges zum Thema: Tötungsdelikte an Kindern, also…» (…die trägt doch ‘n Ring, und du alter Knacker…) «Also, wie viele…? An statistischen Dingen bin ich vor allem erst einmal…»
Ohne es zu wagen, ihm den Rücken zuzukehren, kramte sie aus einem ihrer Regale ein paar Blätter hervor und nannte Zahlen.
«… von 1968 bis 1982 hatten wir insgesamt 1481 Fälle mit 1650 Opfern, also verübte Straftaten an Kindern mit Todesfolge – ohne Straßenverkehr.»
Mannhardt machte sich Notizen. «Und bei Kindern unter sechs Monaten…?»
«Insgesamt 189 Fälle, davon 92 männlich und 97 weiblich.»
«Oha! Und was läßt sich zu den Tätern sagen…?»
Sie las nun ab. «Fast zwei Drittel der Kinder, nämlich 1030, wurden von den eigenen Eltern getötet. Nimmt man noch die weiteren Angehörigen und die Bekannten hinzu, so ergibt sich, daß in fast vier von fünf Fällen, bei 78 % nämlich, eine enge Täter-Opfer-Beziehung bestanden hat. Vergleichsweise selten dagegen (4,9 %) fielen Kinder Fremden zum Opfer…»
Mannhardt sah nachdenklich aus dem Fenster und einem über den Tiergarten ziehenden PAN-AM-Airbus hinterher. Das alles sprach ja dafür, daß Jessica selber… Sicher, ihre Schilderung, wie das Baby draußen vor der Boutique im Kinderwagen gelegen hatte und dann plötzlich weg gewesen war, ihre Schilderung klang echt, aber wer konnte denn völlig ausschließen, daß sie – wie vorhin als Hekabe ja auch – zu dieser Zeit gerade in einer ganz anderen Welt gelebt hatte, sich dies alles nur einredete, in Wahrheit aber ihre Tochter längst irgendwie getötet und vergraben…
«Ich Ihnen nicht gut…?»
«Doch, doch!» Mannhardt sah wieder zum Schreibtisch hinüber. «Sagen Sie… Handel mit gestohlenen Babys, Kidnapping zu diesem Zwecke, das hat es in Berlin nicht gegeben…?»
«Nicht, daß ich wüßte…»
«Und das tote Baby in der Tragetasche, letzte Nacht, S-Bahn-Bogen Knesebeck… Savignyplatz…?»
«Ein kleiner Türke, uneheliches Kind einer jungen Frau. Der Bruder, der mit dieser Schande nicht mehr leben konnte, der seine Schwester retten wollte.»
Mannhardt nickte und wollte sie gerade nach bekannten Fällen aus den USA und anderen Ländern fragen, als die Tür aufging…
… und Dr. Weber das Büro betrat.
Mannhardt fuhr hoch und starrte ihn an.
Dr. Weber stand versteinert da.
Die junge Kommissarin hielt den Atem an. Fehlte nur High-Noon-Musik.
Sie hatten sich seit Mannhardts Attacke nicht mehr face to face gegenübergestanden.
Mannhardt war sicher ein sehr jähzorniger Mensch, und er konnte furchtbar hassen, doch eines konnte er auch: auf einen Todfeind von gestern fröhlich zugehen, ihm die Hand entgegenstrecken und ihm vorschlagen, über alles Gewesene nun schallend zu lachen.
Das tat er auch in diesem Falle.
Doch sein alter Chef verstand das völlig falsch, sah schon wieder den tödlichen Stein in der auf ihn zukommenden Hand, schrie auf und rannte auf den Flur hinaus.
Die Dame Taubert hinterher.
Mannhardt lachte schallend, hätte sich halb tot lachen können, riß den rechten Arm nach oben, ballte die Faust: Sieg! Sieg!
Die Erlösung, absolut, total.
Von heute ab bin ich ein neuer Mensch!
7.
«Tu doch endlich was!» hatte Jessica geschrien. «Sitz doch nicht so blöd hier rum und starr an die Decke!» Und war dann wieder ganz zur Hekabe geworden: «Wem fiel mein Kind/Zur Beute…? Und die zuletzt von der Seit’ ihr mir rißt, die Tochter, wo/Blieb sie?»
Da war auch Corzelius gegangen, hatte seine Cousine («Mann,
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