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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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die is ja völlig ausgerastet!») mit Wuthenow allein gelassen, sich auf den Weg nach Rudow gemacht, wo Martin Schmachtenhagen am Glashütter Weg in einem Eigenheim lebte, Jessicas gewesener Mann, immer wieder tönend, daß Yemayá seine Tochter sei, in diesem Glauben immer noch bestärkt, weil ihm ein anderer möglicher Vater nie benannt worden war.
    Zum Glück hatte die Werkstatt seinen alten Käfer heute fertig gehabt, und er brauchte sich nicht für vierundzwanzig lange Stationen, so seine Zählung, in die U-Bahn zu setzen, andererseits aber hätte er mit der U-Bahn fahren müssen, denn eben dieses forderte er ja jahraus, jahrein in Wort und Schrift von allen Bürgern dieses Landes. So hatte er wieder einmal ein verdammt ungutes Gefühl; wie anders auch, seit es so sehr in war, Watzlawick zu mögen und mit seinem Unglücklichsein permanent zu kokettieren.
    Es war dieselbe Strecke, die sie – vorgestern, gestern, heute? – gefahren waren, um zur Grenze zu gelangen, zur Wanderung nach Dolgenbrodt. Waren sie denn wirklich gefahren, oder war das alles erst für nächsten Herbst geplant…?
    In der Neuköllner Karl-Marx-Straße hätte er fast zwei offensichtlich aus der DDR kommende Rentnerinnen totgefahren, die gar nicht schnell genug ins Rathaus kommen konnten, sich ihr westliches Begrüßungsgeld in den Beutel zu stopfen.
    Yemayá… Irgendwo in dieser Riesenstadt, immer an Bramme gemessen, mußte sie stecken. Wo? Bei wem? Noch am Leben? Warum hatten die Menschen nicht alle einen Peilsender im Ohr? Er fluchte wieder über sich, hatte er doch bei so mancher Versammlung sehr heftig gegen «diesen Überwachungsstaat» gewettert, gegen die Volkszählung («Zählt nicht uns, sondern eure Tage!»), den Erika Mustermann-Plastikausweis. Aber irgendwie war der Gedanke von einem himmlischen Zentralcomputer faszinierend, einer quasigöttlichen Instanz, die alles registrierte, alles wußte, was die Menschen taten. Knopfdruck – und sie hätten gewußt, wo Yemayá hingekommen war.
    Seine eigene Tochter fiel ihm ein, Siw, und er hatte es schwer, sie wieder als Baby zu sehen. Sie fehlte ihm, Gunhild weniger. Obwohl er langsam wahnsinnig wurde, wenn er nicht bald wieder mal… Tatjana stand ja auf seiner Wunschliste noch immer obenan. Aber solange Yemayá nicht wieder, oder falls sie doch… Unmöglich, daß er da. Jessica hätte ihn kastriert.
    Du bist ein Schwein, daß du jetzt daran…!
    Am Bahnhof Neukölln fuhr er unter der alten Ringbahn hinweg und verließ damit, streng genommen, die Berliner Innenstadt, kam auch bald – es folgten Britz und Rudow – durch Straßen, die sich von denen seiner «Heimat» wenig unterschieden, genauso öde waren, nichts weiter als den Wunsch erweckten, sie so bald wie möglich hinter sich zu bringen. Tauchten rechter Hand noch die sozusagen Pyramiden der Berliner Betonmafia auf, unter dem Namen Gropiusstadt in den Karten verzeichnet, und er schätzte, daß hier kaum viel weniger Menschen wohnten und lebten als bei ihm in Bramme (ohne Uppekamp).
    Er kam nach Rudow und mußte daran denken, daß die Berliner gerne höhnisch-spöttisch von Bad Rudow sprachen, konnte sich auch wieder dran erinnern, daß die Rudower Felder bei den Bau-Skandalen hierorts eine nicht ganz unwesentliche Rolle gespielt hatten, war doch der Münchener Baubetreuer Bertram ihretwegen von der «Soko Lietze» dingfest gemacht und vom Gericht dann wegen Betrugs, Bestechung und Vorteilsgewährung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, nicht ohne zwei, drei hohe CDU-Beamte und Politiker mit ins Abseits zu nehmen (und wie zu hören war, sollten da noch weitere folgen).
    Berlin tut gut, dachte Corzelius.
    Martin Schmachtenhagen hatte er nur wenige Male gesehen, bei der Hochzeit, bei einem Blitzbesuch in Bramme, bei der Beisetzung von Jessicas Eltern (Flugzeugabsturz in Peru) und wohl auch bei einem Fußballspiel im Weser-Stadion. Wenn er ihn aus der Erinnerung heraus hätte skizzieren sollen, wäre das herausgekommen: So ein bißchen Barschel, alert, voller Ehrgeiz, machtorientiert, auf Geld und Glamour aus, eine Kir Royal-Villa im Sinn, sehr formell, Diplom-Ingenieur für das Bauwesen, pedantisch, mit seinen dreißig Jahren so gesetzt-vernünftig wie ein Mann mit siebzig, nicht unsympathisch, jemand, den man gerne als Rechtsanwalt, Zahnarzt, Pilot oder Steuerberater engagiert hätte, weil er tüchtig und erfolgversprechend war, aber kaum als «Freund fürs Leben». Warum Jessica ausgerechnet den genommen hatte? «Wenn ein

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