Da hilft nur noch beten
habe…?»
«Wo denn: Startbahn West oder Wackersdorf?»
«Nein: hier auf meiner Meldestelle.»
«Oha!»
«Ja, ich will meinen Personalausweis ändern lassen, die Straße… Von Glashütter Weg auf Benatzkyweg. Weigert sich der Beamte, das zu machen, weil ich das mir zugegangene amtliche Schreiben nicht mithabe, wo das dringestanden hat. Das müssen Sie sich mal vorstellen!!!» Die drei Ausrufungszeichen mit der Peitsche geknallt. «Ein Freund und Kollege von mir muß sich einen neuen Personalausweis ausstellen lassen, diese Plastikkarte, und wird wieder nach Hause geschickt, vierzig Busminuten weit, weil er seine Promotionsurkunde nicht eingesteckt hatte. Dabei hatte das ‹Dr.› im alten Ausweis fast zwanzig Jahre dringestanden. ‹… die Kollegen können sich ja damals geirrt haben!› Das ist doch nicht zu fassen!»
Corzelius dankte, machte sich gedankliche Notizen, das gab sicher mal ‘ne kleine Glosse im Funk, sagte aber nun, daß er es außerordentlich eilig hätte, seine Sache dringlich sei und er nun sehen müsse, ob Herr Schmachtenhagen nicht vielleicht doch…?
Er drückte auf den Klingelknopf, einmal, zweimal, wartete.
Nichts.
War er also mit Yemayá auf und davon… Erste Möglichkeit, türkisfarbener Zettel: Rettung seiner Tochter. Aber hing er wirklich an ihr? Schwer vorstellbar. Eher war da schon an einen Racheakt zu denken; die Rache dafür, daß Jessi ihn verraten, ihn verlassen hatte. Zuzutrauen war ihm das. Daß er auf Dienstreise war, mußte keineswegs stimmen; Jessica konnte sich da ebensogut geirrt haben, hatte in solchen Sachen kein gutes Gedächtnis. Höchstwahrscheinlich aber hatte er sie letzte Woche angelogen.
Jetzt ließ er den Finger zehn, fünfzehn Sekunden auf dem Bronzeknopf ruhen.
Was nun geschah, war bestens geeignet, sogar einen so alten journalistischen Fuchs, wie Corzelius es war, erstaunt sein zu lassen.
Eben noch hatte das Schmachtenhagensche Okal-Schlößchen in ländlicher Ruhe gelegen, von milder Sonne liebkost, da wurde plötzlich seine Türe aufgerissen und zwei Schimanski-wilde Männer stürzten heraus, schossen auf ihn zu, und ehe er noch seinen Fluchtinstinkten zu folgen vermochte, hatte auch schon ein Wagen hinter ihm gehalten, und zwei Herren sprangen heraus, verstellten ihm den Weg.
Vier Bullen zweifellos, hurra!
8.
Mannhardt hatte sich die lindgrüne Ente seines Sohnes geborgt und wartete im Schatten der St.-Ludwigs-Kirche, monströse Backsteingotik, bräunlich-rote Betfabrik, auf Prof. Wuthenow, wollte liebend gerne wissen, was der Gute, vielschichtig wie er ja war, noch so alles trieb im westlichen Berlin. Vor allem aber, ob er hier beschattet wurde. Von seinen eigenen Leuten – der «Firma», Stasi, MfS – und den vielen anderen, die da in Frage kamen: Amerikaner, Russen, Engländer, Franzosen, Bundesdeutsche und so weiter. Was für eine Welt! Man konnte fünfzig werden und verstand von ihr auch nicht mehr als ein Fünfjähriger. Undurchschaubar war das alles geworden: Auf der Bühne spielten sie das wunderschöne Stück von Demokratie und der vollen Transparenz unserer Gesellschaft, doch hinter den Kulissen, wo das Eigentliche geschah, wußte keiner mehr Bescheid, war nichts anderes mehr zu finden als der riesengroße Schwarze Kasten. Wahnsinn, daß sie da eindringen wollten, um nach sicheren Zusammenhängen zu suchen. Auf A folgte nicht mehr mit hundertprozentiger Verläßlichkeit auch B, sondern es konnten ebensogut auch C, D oder E sein, vielleicht auch X, aber nur dann, wenn K und L irgendwie zusammenhingen. Wie denn da Yemayá entdecken?
Wuthenow ließ auf sich warten. Mannhardt spähte zu Jessicas Wohnung hinauf und sah Corzelius am Fenster erscheinen, ganz offenbar in der Absicht, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen. Arme ausgebreitet, beide Handflächen nach oben gedreht. Sollte wohl heißen: Ich weiß auch nicht, was los ist und warum der noch so lange bleibt.
War mächtig von der Rolle, der gute C. C, seit sie ihn – zu allem Überfluß auch noch – draußen in Rudow fast verhaftet hätten. Die «Soko Lietze» suchte Martin Schmachtenhagen und hatte ihn, C. C, im Übereifer mit einem Architekten verwechselt, der ebenfalls auf der langen Fahndungsliste stand («Verdunklungsgefahr»). Schmachtenhagen also auf der Flucht, und es schien so, als wäre er mit etwas mehr als einer Million auf und davon. Ausgeschlossen, daß man da ein Baby mitnahm. Wirklich? Menschen im Affekt, im Ausnahmezustand… Die Bücher waren
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