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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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nur schwerlich aufgefallen, daß der hohe rote Würdenträger noch einen zweiten Interessenten, sprich Verfolger hatte: fuhr doch da mit professionellem Können ein grauer Allerweltskadett hinter ihm her, Westberliner Nummer, ein Mann am Steuer, dem er sogleich den Codenamen John F. verpaßte, seiner ungefähren Ähnlichkeit wegen mit jenem legendären Kennedy, den sie hier in dieser Stadt so sehr verehrten, über dessen Ausspruch «Ich bin ein Berliner» man in Bramme aber immer wieder herzhaft lachte, weil dort, wie er erfahren hatte, ein «Berliner» das war, was in Berlin «Pfannkuchen» hieß.
    Die Troika Wuthenow, John F. und Mannhardt bewegte sich nun ohne Zwischenfall in Richtung Halensee, bog dann aber schon am Adenauerplatz nach Norden ab, nahm die Wilmersdorfer Straße («Aha, einkaufen gehen will er auch noch!»), stockte schließlich am Beginn der Fußgängerzone. Der Professor und sein Sputnik hatten noch das Glück, einen Parkplatz zu finden, während Mannhardt Neese war, lange kurven mußte und die beiden aus den Augen verlor. Gloria, Victoria! Du bist aber auch zum Scheißen zu dämlich!
    Was tun? In eines der Parkhäuser fahren und dann zu Fuß ins Gewimmel hinein, die beiden suchen? Wahnsinn. Doch! Und wenn ich sie dann endlich habe, bei Quelle oder Hertie gefunden, dann kommt einer dieser immer lieben Detektive und nimmt dich widerrechtlich, aber dennoch vorläufig fest, weil du ‘n Portemonnaie in der Tasche hast. Das ist zwar seit fünfzehn Jahren deines, hast du aber dennoch eben unbemerkt vom Grabbeltisch genommen. Die Sache läßt dir die Galle platzen vor Ärger; Wuthenow und John F. gehn dir sowieso wieder durch die Lappen; laß es also!
    Gegen diese Logik war nicht anzukommen, zumal ja klar war, wo er Wuthenow mit hundertprozentiger Sicherheit noch einmal erwischte: am Grenzübergang Invalidenstraße. Viel brachte das ganz sicher nicht, höchstens noch die eine Erkenntnis: Fuhr er allein nach Ost-Berlin zurück, oder hatte er wen mit? Und zweitens: War dieser John F. noch immer hinter ihm her? Wenn ja, war sicher, daß man Wuthenow beschattete, war die Verfolgung eben ganz bestimmt kein Zufall mehr.
    Also machte sich Mannhardt auf zur Grenze, ließ sich aber Zeit dabei, denn Wuthenow wollte noch bei einem befreundeten FU-Kollegen vorbeischauen, und das konnte dauern. Wahrscheinlich, so Mannhardts Annahme, brauchte er diesen offiziellen Besuch für seine Berichterstattung drüben, als Alibi für seine Kontrolleure in Partei und Uni. So hoch man auch stieg, Lenin galt wohl immer: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. In früheren Dienstjahren hatten sie Mannhardt des öfteren gewarnt, in Kontakte mit Ostbesuchern zu treten (oder gar selber in die DDR zu fahren): Immer wieder gebe es Versuche, Westbeamte als Agenten anzuwerben, und vor allem jeder DDR-Genosse, der mit einer sogenannten «Sondergenehmigung» ausreise, hätte nach seiner Rückkehr präzise Angaben über seine westlichen Partner zu liefern. Was wohl Wuthenow im Falle Jessi schrieb? Erforschung des imperialistischen Film- und Fernsehschaffens durch Intensivkontakt mit einer für die Sache des Friedenskampfes sehr aufgeschlossenen Protagonistin…
    Mannhardt freute sich, wie schön er so was formulieren konnte, doch es schmerzte ihn auch, wenn er sich vor Augen führte, wie viele bundesdeutsche Spitzenmänner, egal, ob nun Politiker oder Fernsehredakteure, Manager oder Gewerkschaftler, alles so was nicht drauf hatten – und dennoch… Den einen spülte es nach oben, den anderen nicht, warum? Warum war er der kleine Kripomensch geblieben, mit einer Art Frührentnerschicksal bedacht, nicht der geworden, der er hätte sein können? Weißt du doch nicht, was im Buche deines Lebens für die Zukunft noch geschrieben steht? Ja, die HÖV in Bramme und jetzt ‘ne Gastrolle als Privatdetektiv!
    Er fuhr die Ost-West-Achse hinunter – Bismarckstraße und Ernst-Reuter-Platz, Straße des 17. Juni, mitten durch den Tiergarten hindurch – , um dann, als Ehrenmal der Russen wie Brandenburger Tor («Macht das Tor auf!») zum Greifen nahe vor ihm lagen, scharf links abzubiegen und über die Entlastungsstraße erst die Spree, dann den Lehrter Bahnhof zu erreichen, das heißt, den gab es ja nicht mehr; nur noch als S-Bahn-Halt auf den Bögen oben. Es ließ ihn immer wieder innerlich schimpfen, daß sie nach dem Krieg im westlichen Berlin, welch Akt der Selbstamputation, durchgeführt von seinen spießmiefigen SPD-Genossen, alle Fernbahnhöfe

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